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Taxi fahren und fremde Launen verspürenFrau um Frau

Der eine, Fikret, war schon mit 16 Dolmus-Fahrer in Ankara. Jetzt steht er oft mit seinem Benz in Steglitz, gegenüber vom Rathaus. Der andere, Donat, hat die Karre von seinem Vater übernommen und treibt sich auf der Schönhauser herum, manchmal stellt er sich vors Forum-Hotel. Neulich rasselten die beiden ineinander, bei Glatteis auf der Wiener Straße. Alles war halb so schlimm. Aber natürlich trotzdem ärgerlich. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, verdrückte sich Fikret erst einmal ins „Kafka“, um sich bei einer Tasse Kaffee wieder zu sammeln. Minuten später kam auch Donat rein. Wie sie so dasaßen, hätte man sie für rot-grüne Projektemacher halten können.

Allein ihre Gespräche blieben streng sachlich und drehten sich um Fahrgäste, Standheizung und den ewigen Ärger mit der Innung. Aber der kalttrübe Januartag oder die Aussicht, nun einige Tage nicht mehr auf dem Bock sitzen zu können (so lange nämlich, wie ihre Chaisen in Reparatur waren), stürzte sie in eine andere, ihnen selbst fremde Laune: Sie kamen auf „Frauen“ zu sprechen. Immer noch sachlich, also im Zusammenhang mit ihren Jobs.

Donat fing an, natürlich mit einer Liebes- bzw. Massagegeschichte. Sie begann vor dem „Idiotenlokal Newton“ am Gendarmenmarkt. Dort stieg im Oktober eine angeschickerte Blondine zu ihm ins Auto. Gehetzt sagte sie zu ihm: „Ins Eden-Hotel, aber schnell bitte!“ Gesagt, getan. Unterwegs wurde der Blonden schlecht. Donat musste anhalten, und die Frau kotzte sehr diskret und leise in den Rinnstein. „Ich habe heute noch nichts gegessen und vertrage keinen Alkohol“, sagte sie. Am Eden angekommen, merkte die Blonde, dass sie nicht genug Bargeld dabeihatte – und bat ihn, mit hochzukommen. Er stand dann blöd in ihrem Zimmer, während sie in ihren Sachen wühlte und mit dem Empfang telefonierte. Aber da war nichts zu machen: Um diese Zeit war an Bargeld nicht mehr ranzukommen. Donat empfand Mitleid mit ihr, wie sie so hilflos dastand, mit Kotzbrocken in ihren blonden Haarsträhnen.

Großzügig sagte er: „Lassen Sie es gut sein, vielleicht können Sie mir das Geld beim nächsten Mal geben, hier ist meine Nummer – verlangen Sie Donat!“ Sprach’s und verabschiedete sich. In der Nacht darauf verlangte sie tatsächlich nach ihm, wieder vom Newton aus. Als sie einstieg, sagte sie: „Heute geht es mir besser. Aber ich habe Hunger. Essen wir was zusammen?!“

Donat fuhr mit ihr zum Neapolitaner am Hackeschen Markt. Dort aßen sie zwei Portionen „Nutten-Spagetti“ und tranken eine Flasche Rotwein. Sie erzählte ihm, dass sie im vergangenen Jahr „Playmate of the Month“ gewesen sei, aus Aschaffenburg komme und zu Castinggesprächen in Berlin sei. An sich sei sie Stewardess, aber schon seit längerem arbeitslos. Sie redete die ganze Zeit. Dann zahlten sie – getrennt. Anschließend brachte er die Blonde wieder ins Eden und begleitete sie erneut in den fünften Stock. In ihrem Zimmer fragte sie ihn: „Möchten Sie Bargeld oder hierbleiben?“

Beides, hätte Donat fast gesagt, konnte sich aber gerade noch beherrschen und lächelte stattdessen vielsagend. Die Blonde bat ihn daraufhin, ihr beim Ausziehen behilflich zu sein. Ihre Haut war merkwürdig spröde und trocken. „Das kommt vom Fliegen“, erklärte sie ihm, „bzw. von der ewigen Kortisoncreme, ich hoffe, dass das irgendwann weggeht. Is ’ne Berufskrankheit. Wenn es Sie stört, können Sie mich mit Öl einreiben, ich hab was dabei.“ Das tat Donat dann auch, wobei die Blonde ihn wegen seiner gekonnten Handarbeit lobte. Er hatte bis dahin noch nie eine Frau eingeölt und konnte gar nicht wieder aufhören. Die halbe Flasche verrieb er auf ihrem Körper. Sie grunzte erst zufrieden, dann schlief sie erschöpft ein.

Am nächsten Tag bestellte die Blonde ihn wieder zum Newton. Diesmal wollte sie „was von der Stadt sehen“. Er fuhr mit ihr den Kaiserdamm und die endlose Heerstraße hoch, da holte sie kurz entschlossen seinen Schwanz raus und lutschte ihm einen. In Dallgow-Döberitz wendete er und fuhr dieselbe Strecke zurück.

Anschließend brachte er sie zum Hotel. Und so hielten sie es dann auch in den darauf folgenden Tagen: Tagsüber war er ihr Fahrer, abends erzählte sie ihm in einem Lokal ihr Leben, und nachts vögelten sie irgendwo in einem dunklen Außenbezirk an einem Baum – immer im Stehen. Nach ungefähr einer Woche wurde das Wetter schlecht: Es fing an zu regnen. Und dann kannte er auch bereits ihr ganzes Leben. Außerdem empfand er das tägliche Fahrerspiel zunehmend demütigend: Sie sprang immer herrischer mit ihm um. Und mitunter musste er stundenlang auf sie warten.

Kurzum: „Es rechnete sich nicht mehr!“ Da kam ihm ein Zufall zu Hilfe: Von der Irrenanstalt Bonnies Ranch sollte ein Patient nach Leipzig verlegt werden – und dazu wurde ein Taxi gebraucht. Er nahm die Fuhre an. Danach machte er noch einen Abstecher nach Dresden und sah sich das Elbufer an. Die Blondine rief ihn nie wieder an, nachdem er wieder zurück war. LILLI BRAND

(Die Geschichte von Fikret gibt es in einer der nächsten Berliner Ökonomien!)

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