: „Tausend Vermißte noch gesucht“
■ Der ausländische Druck auf Kameruns wahlfälschende Regierung wächst: Ein Bericht aus dem Untergrund
Das zentralafrikanische Kamerun kommt nicht zur Ruhe, seit Präsident Paul Biya sich vor einem Monat zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 11. Oktober erklären ließ und den eigentlichen Wahlsieger, den Bürgerrechtler John Fru Ndi von der „Sozialdemokratischen Front“ (SDF), in der Stadt Bamenda unter Hausarrest setzte. In der Folgezeit wurden Tausende von Sympathisanten der Opposition verhaftet. Die taz erreichte folgender Bericht eines versteckt lebenden Oppositionellen.
Die amtierende Regierung Kameruns gerät zunehmend in Bedrängnis. Weltbank, IWF und Afrikanische Entwicklungsbank haben ihre Hilfe suspendiert, EG und USA haben gedroht, weitere Hilfe einzufrieren, wenn Präsident Biya seinen Repressionskurs nicht ändert und die Menschenrechte weiterhin mißachtet. Das US-State-Department hat die Regierung am 13. November offiziell aufgefordert, die Gefangenen freizulassen und den Ausnahmezustand aufzuheben. Folterberichte kommen aus den Gefängniszellen der Geheimpolizei, welche die gefangenen Oppositionsanhänger sich ausziehen läßt, sie in Dreck wälzt und bis zur Bewußtlosigkeit zusammenschlägt. Dank des Drucks von vielen ausländischen diplomatischen Vertretungen, auch des deutschen Botschafters in Jaunde und des deutschen Konsuls in Duala, wurden viele Anhänger der Opposition freigelassen. In Nkongsamba kamen 48 Menschen frei, fünf andere bleiben noch in Haft. Eine offizielle Note des Außenministeriums beschränkt nun die Freizügigkeit ausländischer Diplomaten, die jeweils eine Erlaubnis brauchen, um aus der Hauptstadt Jaunde herauszufahren. Der US-Botschafter drohte daraufhin in einem Brief, die Beschränkung der Freizügigkeit kamerunischer Diplomaten in den USA als Gegenmaßnahme zu empfehlen.
Kollektiver Hausarrest
In Bamenda herrscht weiter Ausnahmezustand. 146 Menschen sind noch im kollektiven Hausarrest im Haus von John Fru Ndi, 34 davon sind krank. Der Arzt Nja Kwa, SDF-Leiter in der Littoral-Provinz, versucht derzeit, die Entlassung von elf Schwerkranken aus dem Hausarrest zu erwirken, damit sie behandelt werden können. In den Gefängnissen Bamendas konnten 84 Vermißte von ihren Familien wiedergefunden werden; etwa 1.000 Menschen werden immer noch von ihren Angehörigen gesucht.
Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu hat als Präsident der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz Kamerun vom 14. bis 19. November mit einer internationalen Delegation besucht. Über sein Gespräch mit Präsident Biya ist nicht viel bekannt, zumal das nach einem Empfang beim Staatspräsidenten traditionelle Interview zwar abgegeben, vom Staatsfernsehen aber zensiert wurde. Aus kirchlichen Kreisen hieß es, Biya habe verlangt, daß Fru Ndi sich gegen Gewalt ausspreche. Fru Ndi nannte dies Heuchelei: Wenn die Regierungspartei Häuser ihrer eigenen Parteiangehörigen in Brand setze, um eine Hetzkampagne gegen die Opposition zu organisieren und daraufhin die Opposition auffordere, gegen Gewalt Stellung zu nehmen, lasse er sich auf so ein Spiel nicht ein. Wenn der Ausnahmezustand aufgehoben und die politischen Gefangenen freigelassen seien, sei er zu Verhandlungen bereit, auch wenn er selbst noch im Hausarrest bliebe.
Inzwischen ist auch der Kampf der Regierung gegen die freie Presse wieder auf der Tagesordnung. Seit dem 17. November sind die wichtigsten privaten Zeitungen im Lande vom Innenministerium verboten, und auch deren Verkäufer und Leser werden verfolgt. Beim Verfassen dieses Berichtes kamen drei Geheimpolizisten in unser multikulturelles Zentrum „AfricAvenir“, suchten nach diesen Zeitungen und wollten wissen, wo ich bin. Sie „versprachen“, wiederzukommen. Kuma Ndumbe III
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