Tatort im Ersten: Der teure Kassenpatient
Sind Kassenpatienten für Ärzte zu teuer? Oder fühlen sich die Kinder mit der Vaterpflege überfordert? In Stuttgart wird zwischen Generationenstreit und Krankenkassenirrsinn ermittelt.
Kassenpatienten, so heißt es, sind für Ärzte eine Qual. Verschreiben sie ihnen effiziente, aber teure Medikamente, kann es schon mal sein, dass sie von den Krankenkassen Regressforderungen erhalten. Bei dem Mediziner aus Stuttgart in diesem „Tatort“ beliefen sie sich immerhin im vergangenen Jahr auf insgesamt 78.000 Euro. Sagen wir mal so: Der Arzt hätte nichts dagegen gehabt, den unter fortgeschrittener Osteoporose leidenden und deshalb mit teuren Heilmitteln zu versorgenden Patienten Willy Schubert aus Kostengründen loszuwerden. Aber begeht er dafür einen Mord?
Denn wie sich herausstellt, wurde der unheilbare Greis auf seine letzten Tage doch tatsächlich aktiv ins Jenseits befördert: In seinem Körper finden sich Spuren eines Medikamentencocktails, den er sich aufgrund seiner Krankheit nicht selbst hat verabreichen können. Bei ihren Untersuchungen offenbaren sich den Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) die schwierigen familiären Verhältnisse des Ermordeten: Schwiegersohn Holger (Steffen Münster) versucht als Anwalt schon lange aus dem Schatten des einst mächtigen Alten herauszutreten, Tochter Eva (Inka Friedrich) reibt sich zwischen Elternpflege und Karriereplanung auf, Mutter Brise (Bibiana Zeller) leidet unter zunehmender Demenz.
Gerontologie und Generationenstreit, Karrierekampf und Krankenkassenirrsinn: Die schwierigen Themen haben Autorin Katrin Bühlig, die einige der stärksten „Bella Block“-Episoden geschrieben hat, und Regisseur Eoin Moore („Im Schwitzkasten“) in einen unerwartet leichtfüßigen Krimi verwandelt. Die Abgründe des Versagens, das Zersetzende des Selbstzweifels – all diese bösen Implikationen, die bei der Altenpflege eine Rolle spielen, flackern hier eher nebenbei in dem Täterrätsel auf.
Pädagogisch mag das für den Zuschauer ganz hilfreich sein: Wo immer Mutter oder Vater, Oma oder Opa pflegebedürftig werden, hat man mit diesen Problemen umzugehen. Eine Anstrengung, die ruhig Reibung freisetzen darf. Ein Generalrezept gibt es nun mal nicht.
Wie am Ende von „Altlasten“ allerdings plötzlich das Thema Sterbehilfe in den beschaulichen Herbst-Krimi eingebaut wird, ist allerdings etwas unverantwortlich. Die versöhnliche Videobotschaft, bei der die Alten den Jungen noch mal zuwinken, kommt dann wirklich arg salopp daher: Hallihallohallöle, die Todgeweihten grüßen Euch!
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