Tatort aus München: Mit der Chipstüte rascheln!
„Dicke Schlitten, schnöselige Reiche, alle besoffen“: Der Tatort spielt in Starnberg und bestätigt alle Klischees, die es über die Region gibt.
Nachdem uns an dieser Stelle ein Kiel-„Tatort“ in der vergangenen Woche schwärmen machte, landen wir wieder auf dem Boden der Tatsachen. Der befindet sich in dieser Woche in Bayern, da, wo der Bayerische Rundfunk zu Hause ist und am Samstag die „Heimatkriminacht“ präsentiert. Nein, eine Bruchlandung ist es keineswegs, die Krimi-Routinier Dominik Graf (Regie) mit „Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi“ da hinlegt.
Aber man muss an einigen Stellen schon laut mit der Chipstüte vor dem Fernseher rascheln, um die Grobheiten und Klischees der schrullig-gutmütigen Kleinstadtbullen zu überhören: Da wären die smarte Neue im Team (Annina Hellenthal alias Polizeimeisteranwärterin Ariane Fink) und der neurotisch-überhebliche Kommissar (Timo Senst alias Hauptkommissar Florian Stetter) aus der Großstadt.
Schade, dass „Die reichen Leichen“ hier nicht über das Übliche hinauskommt. Insofern passt es ganz gut, dass der Film auch alle Klischees bestätigt, die es über die Region mit der angeblich höchsten Millionärsdichte im stolzen Freistaat gibt: „Dicke Schlitten, schnöselige Reiche, und alle besoffen“, fasst es Fink zusammen.
Falls Regisseur Graf, selbst Münchner, hier mal ein bisschen aufräumen wollte – das klappt nicht! Die Reichen sind tatsächlich so skrupellos (ein Vater fingiert die Entführung seiner Tochter, um Lösegeld von seiner Exfrau zu erpressen) wie schnöselig (die Exfrau, falls die Geldübergabe platzen sollte: „Dann hole ich noch mal 5 Millionen“).
„Die reichen Leichen“; Samstag, 18. Oktober 2014, 20.15 Uhr, BR
Und dann ist da noch die Spezies der Ludwigianer. Irre Königstreue, die den Bayern-König Ludwig II. verehren. Sie gedeihen im Klima des Starnberger Sees offenbar besonders gut und scheinen ebendort auch einen der ihren versenkt zu haben. Am Ende fremdelt man ganz schön mit der Heimat der Freistaatbewohner. Was sich ein Heimatkrimi aber durchaus als Verdienst auf die Fahnen schreiben kann.
Dieser Text enthält einige redaktionelle Fehler. Für medienarchäologisch Interessierte verzichten wir jedoch auf eine Änderung, sondern gestatten uns lediglich, Besserung zu geloben und anzumerken:
1. Es ist kein Tatort
2. Der viel gefeierte Tatort kam aus Wiesbaden (also aus Hessen), nicht aus Kiel.
3. „Timo Senst alias Hauptkommissar Florian Stetter“ – Der Schauspieler heißt Florian Stetter, die Rolle, die er verkörpert, ist Kommissar Timo Senst.
4. Das Publikationsdatum 19. Oktober für eine Vorbesprechung war natürlich ungünstig gewählt, da der Film ja bereits am 18. lief.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
G20-Gipfel in Brasilien
Milei will mit Kapitalismus aus der Armut
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Virale „Dubai-Schokolade“
Dabei sein ist alles