Bildung für Blinde: Tastend Begreifen
■ „Fähigkeiten von Blinden unterschätzt“
Blinde Kinder möchten am liebsten alles das tun, was sehenden Kindern auch Spaß macht. Und sie wollen auch in die Schule gehen und später einen Beruf erlernen. Für Blinde ist das allerdings mit viel mehr Anstrengungen verbunden. Sie müssen als Kinder nicht nur die Blindenschrift und alltägliche Dinge mühsam lernen. Sie sind auch ständig auf die Hilfe anderer angewiesen und haben Angst, allein nicht zurechtzukommen. Das Landesbildungszentrum für Blinde in Hannover, das seit genau 150 Jahren besteht, will blinden Kindern mit einer Schul- und Berufsausbildung ein selbständiges Leben ermöglichen.
In einer Art Vorschule kümmern sich derzeit sieben Lehrer um 140 blinde Kinder in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein in deren Elternhäusern. Ab dem siebten Lebensjahr erhalten die Kinder in Gruppen von sechs Schülern regulären Unterricht. „Unsere Unterrichtsgestaltung lebt sehr stark von Tast-Einsätzen“, sagt Lehrer Peter Friedrichkeit. Abtastbare Globen und Landkarten, sowie große plastische Biologie- und Physiksammlungen seien notwendig. Seit mehreren Jahren könnten die Schüler auch mit Computern arbeiten, da der Text in Blindenschrift übertragen wird.
„Im Gegensatz zu anderen Blindenzentren verbinden wir in Hannover schulische und berufliche Ausbildung miteinander“, berichtet Schuldirektor Paul Lennartz. Nach dem Haupt- oder Realschulabschluß könnten sich die Schüler für eine Berufsfachschule, eine gewerbliche oder eine bürotechnische Ausbildung entscheiden. Besonders beliebt seien die Berufe Holzwerker und Metallfeinarbeiter, Telefonistin und Stenotypistin sowie Korbmacher..
Nach der Ausbildung fangen jedoch die Probleme erst an. Im Idealfall findet nur knapp die Hälfte der Ausgebildeten einen Arbeitsplatz. „Immer noch unterschätzen Werkstätten, Wirtschaft und Verwaltung die Fähigkeiten von blinden Menschen mit einer Ausbildung“, kritisiert Friedrichkeit. Insbesondere Fachkräfte für Büro und Textverarbeitung müßten seiner Ansicht nach bei der großen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben. Findet der Schulabgänger keine Stelle, bleibt ihm nur die Rücckehr in die Familie oder eine Umschulung. dpa
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