Task Force und Sokos gegen rechts: Bremen rüstet gegen rechten Terror

Mit einer „Task Force“ sowie Sondereinheiten beim LKA und Verfassungsschutz will Bremen potentielle rechtsextremistische Gewalttäter ausfindig machen.

Die zerstörte Scheibe eines Parteibüros der Linken in der Bremer Neustadt

Wurde mehrfach Ziel von rechtsextremistischen Angriffen: Linken-Parteibüro in der Bremer Neustadt Foto: Die Linke Bremen

BREMEN taz | | Was in Niedersachsen bereits nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle geschehen ist, passiert jetzt, nach den rechtsextrem motivierten Morden in Hanau, auch in Bremen: Verfassungsschutz und Landeskriminalamt (LKA) werden aufgestockt. Gemeinsam haben der Bremer Innensenator, der Polizeipräsident und der Chef des Verfassungsschutzes am Dienstag geplante „Maßnahmen gegen Rechtsterrorismus“ vorgestellt.

Nach Hanau habe man als erste Reaktion die Schutzmaßnahmen für Moscheen und die jüdische Gemeinde verstärkt, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Klar sei aber vor allem geworden: „Nach dem nun dritten rassistisch motivierten Terroranschlag in den letzten neun Monaten wissen wir, dass wir es mit einem neuen Tätertypus zu tun haben, mit einem Dunkelfeld, in dem wir die Mehrzahl der Personen nicht kennen.“ Licht ins Dunkle können man nur gemeinsam bringen, „alleine kann das nicht mehr angegangen werden.“

Deswegen bekommt Bremen nun eine Task Force mit dem Titel „Rechten Terror in Bremen verhindern“. Beteiligt daran sind neben Polizei und Verfassungsschutz auch Behörden und Institutionen. Die Arbeitsgruppe solle helfen, potentielle Täter*innen, die weder Verbindungen zu bekannten Neonazi-Gruppierungen haben, noch anderweitig einschlägig in Erscheinung getreten sind, frühzeitig als radikalisiert identifizieren zu können – vergleichbar mit als „Gefährder“ eingestuften Islamist*innen. „In Bezug auf den IS haben wir aufgrund von Hinweisen durch Lehrer oder Eltern vieles früh erkannt“, sagte Senator Mäurer.

Der Blickwinkel müsse nun erweitert werden auf Menschen, „die zum Beispiel psychisch auffällig sind und sich rechtsextremistisch radikalisiert haben“. Diese potentielle Gefahr verschärfe sich noch weiter, wenn solche Personen auch Zugang zu Waffen hätten. Würden die Behörden auf diese Menschen aufmerksam, könnte deren Eignung für den Waffenbesitz frühzeitig überprüft werden, sagte Mäurer.

Bremen will Menschen, die psychisch auffällig sind und sich rechtsextremistisch radikalisiert haben, im Blick haben

Sowohl der Verfassungsschutz als auch das Landeskriminalamt sollen überdies „Spezialeinheiten“ bekommen. Die „Sonderkommission Rechtsextremismus“ beim LKA soll den Informationsaustausch mit den Sicherheitsbehörden der anderen Bundesländer verstärken, wobei der Schwerpunkt in der „personenorientierten Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit“ liegen soll.

Dafür sollen laut Bremens Polizeipräsident Lutz Müller etwa zehn Ermittler*innen und Analytiker*innen zusammengezogen werden. Als teilweisen Ausgleich erhalte die Polizei fünf Stellen mehr. „Vielleicht“, sagte Müller, „bekommen wir einen besseren Überblick über die Menschen, die für Radikalisierungsprozesse offen sind.“

Zwei Stellen mehr soll der Bremer Verfassungsschutz bekommen, um dort die „Analyseeinheit Hass und Hetze“ auszubauen. Die soll sich gezielt mit den rund 180 bekannten Rechtsextremist*innen und rund 130 „Reichsbürger*innen“ im Land Bremen beschäftigen. Man wolle sich dabei nicht mehr nur auf gewaltorientierte Rechtsextremist*innen konzentrieren, sagte der Bremer Verfassungsschutz-Chef Dierk Schittkowski, sondern auch auf deren Umfeld.

Denn: „Auslöser der vergangenen drei Taten war immer das Schüren von Hass, alle Täter haben sich im Internet radikalisiert.“ Dieser Täter*innentypus benötige keine gefestigte Ideologie, sondern lediglich Fragmente: „Da genügt Fremdenfeindlichkeit.“ Bei dem Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) sei der Täter auch von der AfD beeinflusst gewesen: „Auch, wenn die AfD sagt, sie habe nichts damit zu tun: Das ist nicht richtig“, sagte Schittkowski.

Niedersachsen hat seinen Verfassungsschutz bereits im Oktober um 14 zusätzliche Stellen aufgestockt, um die Internet-Aktivitäten von Extremist*innen besser beobachten zu können. Der Bremer Verfassungsschutz reagierte damals mit einem Appell an die Bevölkerung: Um einer weiteren Radikalisierung von Extremist*innen frühzeitig entgegenzutreten, bat Schittkowski Bremer*innen um ihre Mithilfe.

Drohung gegen Moschee

Sie sollten auffällige Signale, Äußerungen oder Verhaltensweisen telefonisch oder per Mail bei der Behörde melden. Der Verfassungsschutz bekomme seit dem Aufruf „regelmäßig wertige Hinweise“, sagte Schittkowski – und diese seien auch künftig notwendig: „Wir brauchen die Zivilgesellschaft an unserer Seite.“

In Bremen gab es seit Jahresbeginn elf rechtsextremistische Anschläge oder Drohungen. So erhielten die Büros aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien außer der AfD Briefe mit rechtsextremistischem Inhalt und einem Pulver, das sich jedoch als harmlos erwies. Ein Parteibüro der Linken wurde Ziel mehrerer Anschläge; bei einem wurde eine Fensterscheibe mit einem Gullideckel eingeworfen.

Zuletzt erhielt die größte Moschee Bremens eine Mail mit rechtsextremistischem Inhalt sowie einer Bombendrohung. Die Mail wurde am gleichen Tag verschickt, an dem in Hanau ein Mann aus rassistischen Motiven neun Menschen und anschließend seine Mutter und sich selbst erschoss.

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Am 19. Februar 2020 erschoss der Rechtsextremist Tobias R. an drei verschiedenen Tatorten in der Hanauer Innenstadt neun Menschen:

Kaloyan Velkov, ermordet mit 33 Jahren.

Fatih Saraçoğlu, ermordet mit 34 Jahren.

Sedat Gürbüz, ermordet mit 30 Jahren.

Vili Viorel Păun, ermordet mit 22 Jahren.

Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren.

Mercedes Kierpacz, ermordet mit 35 Jahren.

Ferhat Unvar, ermordet mit 22 Jahren.

Hamza Kurtović, ermordet mit 22 Jahren.

Said Nesar Hashemi, ermordet mit 21 Jahren.

Später ermordete der Attentäter seine Mutter Gabriele R., 72 Jahre alt.

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