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TarifstreitWarnstreiks treffen Pendler

Ver.di-Chef Frank Bsirske will einen Schulterschluss mit den Kommunen. Die lehnen ab und bezeichnen die Forderungen der Gewerkschaft als "illusorisch".

Anzeigetafel in Frankfurt am Main. Bild: dpa

Am dritten Tag der Warnstreiks im öffentlichen Dienst nahmen insgesamt 10.850 Beschäftigte an den Protesten teil. Der Schwerpunkt lag am Freitag in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Hessen. Die Kommunen beklagen indes ihre desolate Haushaltslage: "Die Forderung von fünf Prozent Lohnerhöhung ist in der jetzigen Situation illusorisch", sagte Steffen Drenkelfuß, Sprecher der Stadt Halle, gegenüber der taz.

Ver.di-Chef Frank Bsirske hatte den Kommunen laut Medienberichten angeboten, gemeinsam den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen und sich gegen die Steuerpläne zu stellen. Einem solchen Schulterschluss von Gewerkschaften und Kommunen steht Steffen Drenkelfuß skeptisch gegenüber.

Er verwies auf das strukturelle Haushaltsdefizit von 30 Millionen Euro. Die Forderung der Beschäftigten sei nicht bezahlbar, sagte Drenkelfuß. "Das ist nur eine Abwehrreaktion", entgegnete der Streikleiter Lothar Phillip in Halle. "Wir fordern nicht allein eine Lohnerhöhung von fünf Prozent, sondern ein gesamtes Maßnahmenpaket", erläuterte er. Was das dann letztlich koste, ließe sich nicht einfach berechnen, sagte Phillip.

Die Warnstreiks wurden fortgesetzt, weil am Montag die zweite Verhandlungsrunde der Tarifpartner gescheitert und ohne Arbeitgeberangebot vertagt worden war. So nahm in Hessen mit 7.300 Menschen die größte Anzahl an Beschäftigten im öffentlichen Dienst an den Warnstreiks teil. Betroffen waren der öffentliche Nahverkehr in Frankfurt am Main, Gießen und Hanau und weitere Einrichtungen.

So blieben in Darmstadt 13 von 35 Kindertagesstätten geschlossen und an den städtischen Bühnen in Frankfurt am Main fiel die Abendvorstellung des Kammerspiels aus. Busse fuhren unter anderem auch in Stuttgart nicht. In Sachsen und Sachsen-Anhalt nahmen 1.250 Beschäftigte an dem Streik teil. Unter anderem in Leipzig, Halle, Chemnitz, Zittau und Wittenberg blieben große Teile der Stadtverwaltungen geschlossen. In Halle beteiligten sich Jugendliche aus der Arbeitsagentur an dem Streik, um auf ihre Forderung nach einer verbindlichen Übernahme von Auszubildenden für mindestens zwei Jahre aufmerksam zu machen.

In Sachsen beteiligten sich auch Beschäftigte aus Bundeseinrichtungen an den Protesten, etwa in den Kasernen in Dresden und Weisskeisel. Ines Jahn, Streikleiterin in Leipzig, bezeichnete die Warnstreiks im Rathaus und der Stadtbibliothek, an denen circa 100 Beschäftigte teilnahmen, als "Vorgeschmack". Die Bevölkerung in Leipzig sei nicht wirklich betroffen gewesen, sagte Jahn.

Im Saarland hat da der kommunale Entsorgungsdienst laut Ver.di zehntausende Mülltonnen nicht gelehrt. Ab heute solle dies sukzessive nachgeholt werden. Insgesamt beteiligten sich 2.300 Beschäftigte in Saarbrücken und Völklingen an den Aktionen.

Für Montag sind weitere Warnstreiks in Thüringen, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bremen geplant. In Berlin werden am Dienstag die Beschäftigten in der Senatsverwaltung, in Kindertagesstätten und in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes zum Streik aufgerufen. Die nächste Verhandlungsrunde der Tarifpartner wird am 10. Februar in Potsdam stattfinden. Die Arbeitgeber hatten angekündigt, dann ein Angebot vorzulegen.

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2 Kommentare

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  • JS
    Jens Schlegel

    In Zeiten, in denen es gut lief mit der Wirtschaft, dem Staat und den Einnahmen wurde den Forderungen nach mehr Lohn im Öffentlichen Dienst damit begegnet:

     

    "Man darf jetzt im Aufschwung die Konjunktur nicht mit Mehrausgaben belasten."

     

    Später, als dann kein Geld mehr da war (ausser für Hoteliers, Autokäufer, Banken) heisst es dann;

     

    "Angesichts der angespannten Lage können keine Lohnerhöhungen durchgesetzt werden"

     

    Also, weder bei Aufschwung und Boom noch bei Rezession können Forderungen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst berücksichtigt werden. Wann dann?

     

    Und Schäuble schürt die Mär vom ach so sicheren Arbeitsplatz. Er hat wohl den Stellenabbau in diesem Bereich verpennt und ignoriert die Tatsache, dass die überwiegend Teilzeit arbeitenden oft nur befristete Verträge erhalten.

  • S
    stuggi

    In Stuttgart fuhr gar nix. Busse nicht und Bahnen nicht.

    Und "Im Saarland hat da der kommunale Entsorgungsdienst laut Ver.di zehntausende Mülltonnen nicht gelehrt."... dann werden die Mülltonnen wohl dumm bleiben. Mehr Bildung für Mülltonnen! :-)