Tariflohn Bedingung für öffentliche Aufträge: EU-Gericht kippt örtliche Tarifbindung
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen darf nicht mehr an die Einhaltung von örtlichen Tarifverträgen gekoppelt werden.
LUXEMBURG dpa/afp/taz Bund, Länder und Gemeinden dürfen ihre Aufträge nicht an die Einhaltung örtlicher Tarifverträge koppeln. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat heute eine entsprechende Regelungen des Vergabegesetzes des Landes Niedersachsen verworfen. Eine Bindung von Auftragsvergabe und Tariflohn sei nicht gerechtfertig und verstoße gegen die EU-Regeln zu Entsendung von Arbeitnehmern, argumentierten die Richter.
Der Tarifvertrag sei nicht für allgemein verbindlich erklärt worden. Das wäre laut EuGH aber die Voraussetzung, um Unternehmen aus anderen EU-Staaten bestimmte Mindestlöhne vorzuschreiben.
Ein Tarifvertrag, der nach festen, EU-weiten Regeln für allgemeinverbindlich erklärt wurde, gilt für alle Arbeitgeber, auch wenn sie nicht Mitglied des tarifschließenden Verbandes sind. Das Vergabegesetz des Landes Niedersachsen verlangt, dass der Auftragnehmer und auch alle von ihm beauftragten Subunternehmer mindestens den örtlichen Tariflohn bezahlen müssen. Mit seiner Klage wehrte sich ein Bauunternehmer gegen eine Vertragsstrafe, weil ein Subunternehmen sich nicht an den örtlichen Tariflohn gehalten hatte. Wie der Europäische Gerichtshof entschied, können die öffentlichen Auftraggeber nur die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifverträge verlangen.
Der EUGH widerspricht mit mit seinem Urteil der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2006. Damals hatten die Karlsruher Richter anhand des Berliner Vergabegesetzes festgestellt, dass gesetzliche Vorgaben zur Tariftreue bei der Vergabe von öffentlich Aufträgen "Gemeinwohlzielen" von "überragender Bedeutung" dienten. Die Tariftreue, so die Richter, sei ein Mittel zur Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs über die Senkung von Lohnkosten und diene auch zur Entlastung der Sozialsysteme, da von öffentlicher Seite weniger Lohnersatzleistungen zu bezahlen wären.
Der Rechtsstreit hatte sich am Bau der Justizvollzugsanstalt Göttingen-Rosdorf entzündet. Dort hatte sich die Baufirma Objekt und Bauregie nach EuGH-Angaben zwar zur Einhaltung der Tarifverträge verpflichtet. Ein polnischer Subunternehmer beschäftigt dann aber 53 Arbeiter, die nur 46,57 Prozent des deutschen Tariflohns bekamen.
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