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■ TagungGesucht: der ideale Reiseführer

Es gibt Reisebücher der unterschiedlichsten Art: für Lehnstuhlreisen, Autofahrten oder für Strandlagerer, fürs große und fürs kleine Geld, für „special interests“, für gebildete Menschen und solche, die es gar nicht so genau wissen wollen. Noch Wünsche offen? Aber ja. Ungeachtet der Vielfalt sucht die Stiftung Lesen nun den „idealen“ Reiseführer.

Fast 150 Tagungsgäste der Stiftung, die sich in Leipzig zur dritten Reiseliteratur- Fachtagung trafen, suchten jüngst dabei mit. Sie durchkämmten die schöne weite Welt zwischen den Buchdeckeln. In Projektgruppen zu Ägypten, Bayern, Mallorca, Paris und Rom vermaßen sie die Kapitellängen in zahllosen Büchern und sichteten Notrufnummern in Serviceteilen, sie vergaben Punkte zu Fragen wie „Länderkunde vorhanden? Ja/Nein“ oder „Vollständigkeit der Informationen“, sie bewerteten und addierten und vergaben Noten, schonungslos, selbst in Anwesenheit von Autoren. Sie arbeiteten stundenlang und stellten dabei fest: So richtig gut funktioniert das nicht. Denn individualisierte Produkte zu quantifizieren ist eine heikle Sache.

So heikel, daß gestandene Fachleute Sinn und Zweck eines Fragebogens zur Beförderung von Qualität bezweifelten. Daß wir Maßstäbe brauchen, war klar, daß andererseits Zensurinstrumente alle konzeptionellen Unterschiede nivellieren, war auch klar. Und wer kann schon ernsthaft behaupten zu wissen, was das „Ideal“ ist, wenn die Interessen der Reisenden so grundverschieden sind? Wer weiß schon, wieviel Bauwerke der Mensch zur Besichtigung braucht? Sollte man nicht über die verschiedenen Qualitätsvorstellungen reden? Eine Diskussion, so klassisch wie der Methodenstreit in der Sozialforschung – und genauso unentschieden. Mit einer beunruhigen Nuance: Zu Recht wurde darauf hingewiesen, daß andernorts längst Marktrealität ist, was hier noch verhandelt wurde: Hitlisten, die selbst dubiose Produkte lancieren, mit standardisierten Empfehlungen, deren Kriterien niemand kennt. Hier bemühte man sich immerhin um Transparenz.

Der ideale Reiseführer wurde allerdings nicht gekürt. Ob er je etwas anderes sein wird als ein idealisiertes Mittelmaß, werden wir erst erfahren, wenn die Buchforscher ihre Ergebnisse veröffentlichen. Zwei Zwischenergebnisse am Rande: Es waren drei „Tote“ zu besichtigen, im Untersuchungsfeld Mallorca-Führer: Baedeker, Thomas Cook und Goldstadt. Unter zehn genauer untersuchten Mallorca-Bänden wurden diese drei als „indiskutabel“ ausgesondert.

Und ein Beurteilungstrend zeichnete sich ab: Bücher mit konzeptionellem Profil machten eine bessere Figur als die früher so beliebten unpersönlichen Nachschlagewerke. Alle drei inkriminierten Bände gehörten just dieser Gattung an. Christel Burghoff

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