piwik no script img

Tageszeitung soll revolutioniert werdenPersönlicher Mix für den Briefkasten

Nur noch bezahlen, was einen wirklich interessiert? Mit "Niiu" startet im November Deutschlands erste personalisierte Tageszeitung. 17 Verlage machen bisher mit.

Jede Niiu-Ausgabe besteht aus Seiten der von den Lesern ausgewählten Zeitungsressorts im Originallayout. Bild: screenshot: niiu.de

Der Politikteil aus der Frankfurter Rundschau, Internationales aus der New York Times, Regionales aus der Berliner Morgenpost und das Sudoku nach eigenem Können. Pünktlich um sechs Uhr soll der persönliche Mix im Briefkasten liegen. So stellt sich das Zeitungsprojekt niiu.de die Zukunft der Tageszeitung vor. Am Dienstag ging die Website von Deutschlands erster personalisierter Zeitung online.

Dass sich der seit Jahrzehnten beschworene, aber bislang unerfüllte Traum nun der Realität nähert, davon konnten sich am Dienstag Journalisten in Berlin überzeugen: Auf einer 15 Meter langen digitalen Großdruckanlage liefen die ersten Exemplare im Vierfarbdruck vom Band. Jede Ausgabe besteht zunächst aus 24 Seiten.

Hinter niiu.de stecken Hendrik Tiedemann (27) und Wanja Oberhof (23). Was als studentisches Start-up-Unternehmen vor zweieinhalb Jahren begann, hat sich inzwischen zu einem Zukunftsprojekt für deutsche Zeitungsverlage gemausert. Insgesamt 17 deutsche und internationale Tageszeitungen stellen niiu.de komplette Zeitungsinhalte zur Verfügung. Aus Deutschland sind unter anderem die Frankfurter Rundschau, das Handelsblatt und der Tagesspiegel beteiligt. Auch der Springer-Verlag liefert den Inhalt von vier seiner Tageszeitungen zu. Internationale Titel wie New York Times und International Herald Tribune sind ebenfalls vertreten. Zudem haben die Jungunternehmer Verträge mit 500 Onlineanbietern wie kicker.de oder blogpiloten.de geschlossen.

"Ein entscheidender Punkt für die Teilnahme so vieler Verlage war, dass wir komplett unabhängig sind", sagte Wanja Oberhof der taz. An der InterTI GmbH mit zurzeit 12 Mitarbeitern sei kein Investor beteiligt. Auch die bisherigen Investitionen im "hohen sechsstelligen Bereich" hätten sie bislang selbst gestemmt.

Die Verlage in mühsamer Arbeit von ihrer Teilnahme zu überzeugen, war aber nur eine Hürde, die die beiden Jungunternehmer zu überwinden hatten. "Wir mussten ganz neue Wege gehen, was die Software, den Druck und den Vertrieb betrifft", sagt Oberhof. "Erst seit etwa einem Jahr gibt es überhaupt eine Druckmaschine, die unsere Ansprüche nach Qualität und günstigen Kosten erfüllt", sagt Hendrik Tiedemann. Mit der Software, die bei niiu.de im Hintergrund werkelt, waren bis zu 20 Programmierer über zwei Jahre beschäftigt. Sie managt den Produktionsprozess bis zum Adressaufdruck.

Jede Niiu-Ausgabe besteht aus Seiten der von den Lesern ausgewählten Zeitungsressorts im Originallayout. Das Projekt soll sich über den Verkaufspreis und Erlöse personalisierter Anzeigen finanzieren. Studenten bekommen jedes Exemplar für 1,20 Euro zugestellt, Vollzahler für 1,80 Euro. Abonnieren kann man Niiu mit einem Prepaid-System - für 30, 50 oder 150 Tage.

Die Verlage sehen das Projekt vor allem als Testballon. Mit konkreten Aussagen halten sie sich jedoch zurück. "Niiu ist ein schönes Innovationsprojekt, das wir gerne unterstützen, weil sich damit neue Zielgruppen ansprechen lassen", sagte ein Springer-Sprecher der taz. Der wirtschaftliche Aspekt stehe in der jetzigen Phase aber nicht im Vordergrund. "Wir erhoffen uns Kenntnisse, auf welcher technologischen Basis sich eine individualisierte Tageszeitung realisieren lässt." Am 16. November wird die erste Ausgabe von Niiu in Berlin zugestellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • A
    anton

    @Awert: Ich will aber eine Zeitung auf Papier, denn das iPhone ist zwar eine nette Erfindung aber darauf die taz oder die Zeit lesen. neee. ich freu mich auf die niiu, auch wenn ich das Verlagsrepertoire noch nicht so berauschend finde. Ich frage mich sowieso, was die BILD da zu suchen hat. Bekomme ich dann eine niiu mit BILD-Titelseite und SZ Seite 2 dahinter??^^

  • AC
    Alex Cee

    In Zeiten von RSS-Feeds finde ich diese Idee irgendwie reichlich albern ;). Aber gut, in der Papierindustrie gibt es auch Arbeitsplätze, die gerettet werden müssen...

  • J
    Johannes

    Wann ist die taz dabei? Ich bin sicher nicht der einzige, der gerne den Lokalteil der örtlichen Zeitung hätte, deren überregionale Berichterstattung aber für ungenügend hält. Zwei Zeitungen will ich mir nicht leisten, aber bei taz + Lokalteil wäre ich dabei.

  • KE
    Kai Engel

    Ich hätte das vor allem gerne nicht nur in Berlin!!

  • FA
    Friedrich Almshausen

    Eine tolle Sache, ich werde der erste Kunde sein!!

    Solche Innovationen braucht doch der Zeitungsmarkt, ich kann das Konzeot total nachvollziehen!

  • LH
    Lucas Hofmann

    Wird die TAZ bei diesem Projekt mitmachen? Bzw. später dazu stoßen?

  • S
    Susi

    Sowas hätte ich mir von der SZ schon immer gewünscht. Die ist ja so dick, die schafft keiner. Und alle Teile davon interessieren auch nicht.

    Bzw ich hätte gern die taz mit nem entsprechenden süddeutschem Regionalteil. Auf Sport könnte ich zB komplett verzichten. Manche fänden wohl stattdessen kultur überflüssig.

    Wäre echt zu hoffen, dass da noch mehr Verlage mitmachen.

  • E
    Emil

    Personalisierte Nachrichten sind allenfalls dann gut wenn es um rein technisch fachliche Nachrichten handelt.

     

    Beispiel: ein SAP-Programmierer lässt sich alle Nachrichten zu SAP zukommen.

     

    Für die tägliche Nachrichtenlektüre ist es doch geradezu widersinnig eine Personalisierung vornehmen zu lassen. Der Zweck des Nachrichtenlesens ist es doch gerade dies nicht zu tun.

  • A
    Awert

    Papierverschwednung. Sollten sich in Zukunft die Verlage dazuentscheiden, ihre Inhalte im Netz nur noch für Geld lesbar zu machen, dann werden es Projekte wie Niiu sicher einfacher haben, aber wirklich nur im Netz!

     

    Glaube nicht, dass man Leute, die auf personalisierte Nachrichten stehen von den Vorteilen der Onlinewelt wegholen können.

  • V
    Vero

    Super und jetzt bitte noch die Taz dazu ;-)