Tagesüberblick Bürgerkrieg in Syrien: Assads Schwager getötet
In Damaskus liefern sich Armee und Aufständische schwere Gefechte. Zuvor waren bei einem Anschlag der Verteidigungsminister und Assads Schwager getötet worden.
18.30 Uhr: Sicherheitsrat verschiebt Abstimmung
Der UN-Sicherheitsrat hat eine für Mittwoch geplante Abstimmung über einen westlichen Resolutionsentwurf zu Syrien um einen Tag verschoben. Dies gab der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin nach einem Treffen der fünf Ständigen Mitglieder des Rates bekannt. Die Diskussionen über den Entwurf sollten am Mittwoch fortgesetzt werden.
Der internationale Syrien-Gesandte Kofi Annan hatte um die Verschiebung gebeten. Der Entwurf würde Sanktionen gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad ermöglichen. (rtr)
18.20 Uhr: Präsidentenmaschine angeblich gestartet
Syrische Aktivisten haben berichtet, das Flugzeug von Präsident Baschar al-Assad sei am Mittwoch vom Flughafen Messe in Damaskus aus gestartet. Sie beriefen sich dabei auf Offiziere auf dem Militärflughafen. Über die Passagiere an Bord und das Ziel der Maschine machten sie keine Angaben. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite lag für diesen Bericht, der in einem internen Forum der Regimegegner verbreitet wurde, nicht vor. (dpa)
18 Uhr: USA weiten Sanktionen aus
Die USA haben am Mittwoch ihre Sanktionen gegen Syrien ausgeweitet. Nach Angaben des Finanzministeriums in Washington betreffen die Strafmaßnahmen hochrangige Regierungsbeamte und sechs Firmen. US-Bürgern ist demnach künftig untersagt, mit ihnen Geschäfte zu betreiben, und etwaige Vermögen in den USA werden eingefroren. (dpa)
16.30 Uhr: Schwere Kämpfe in Damaskus
Nach dem Bombenanschlag auf die syrische Führung haben Aufständische und Sicherheitskräfte übereinstimmend von schweren Kämpfen in Damaskus berichtet. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, im Bezirk Midan seien eine große Zahl von Terroristen getötet worden. In Kabun sei es ebenfalls zu Kämpfen gekommen.
Im staatlichen Fernsehen wurde erstmals von Gefechten in der Hauptstadt berichtet. Aufständische sprachen ihrerseits von einer Flut von Soldaten und regierungstreuer Milizen. Eine Bewohnerin von Barseh sagte, es seien sehr viele Sicherheitskräfte auf den Straßen zu sehen. (dpa)
15.30 Uhr: Russland verweigert Zustimmung zu Sanktionen
Die UN-Vetomacht Russland hat den Westen mit Nachdruck vor einer einseitigen Unterstützung der Opposition in Syrien gewarnt und eine Zustimmung zu Sanktionen ausgeschlossen. „Wer nur auf eine Seite des Konflikts Druck ausübt, bringt das Land einem Bürgerkrieg näher", sagte Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. „Statt die Opposition zur Ruhe zu bringen, stiften unsere Partner sie zur Fortsetzung an."
Der UN-Sondergesandte Kofi Annan unterstütze eine neue Syrien-Konferenz unter Einbeziehung des Irans und Saudi-Arabiens, sagte Lawrow. Annan habe die Idee bei seinem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau als „hilfreich" gelobt. Russland hatte das Fehlen der Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien bei der Genfer Konferenz am 30. Juni kritisiert.
Eine Zustimmung des Riesenreichs zu Strafmaßnahmen gegen die Führung in Damaskus schloss Lawrow erneut aus. „In einem Moment, wo eine Schlacht um die syrische Hauptstadt tobt, wäre die Annahme von Sanktionen eine einseitige Unterstützung von Revolutionären." (dpa)
14.30 Uhr: Rebellen bekennen sich zum Anschlag
Zu der Tat bekannte sich ein syrischer Rebellenkommandeur, Riad al Assad. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte angesichts des Anschlags ein gemeinsames Machtwort des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.
Der Kommandeur sagte in einem Telefoninterview aus der Türkei, die Rebellen hätten die Bombe in einem Raum deponiert, in dem ranghohe Regierungsvertreter zusammengetroffen seien. Der Rebellenkommandeur wies Angaben der Regierung zurück, es habe sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Alle Beteiligten seien in Sicherheit, erklärte er. Der Anschlag bedeute „den Anfang vom Ende des Regimes“. (dapd)
14.10 Uhr: Innenminister verletzt
Unklar ist der Zustand des Innenministers. Mehrere arabische Sender berichteten vom Tod des Politikers. Dem amtlichen Fernsehen zufolge war sein Gesundheitszustand stabil. Der libanesische Fernsehsender Al-Manar hatte berichtet, er sei bei dem Anschlag verletzt worden. (rtr)
14 Uhr: Merkel drängt auf baldige Resolution
Unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Lage in Syrien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den UN-Sicherheitsrat aufgerufen, sich jetzt schnell auf eine Resolution zu einigen. Alle Staaten der internationalen Gemeinschaft sollten nun daran mitwirten, "dass die Verletzung der Menschenrechte dort ein Ende hat". Bisher wird eine Resolution durch Russland blockiert, das Sanktionen gegen Syrien kategorisch ablehnt. (dpa)
13.30 Uhr: Assads Schwager ist tot
Unter den Todesopfern des schweren Anschlags in Damaskus ist nach staatlichen Angaben auch der Vize-Verteidigungsminister und Schwager des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Assef Schaukat. Er sei bei dem Selbstmordanschlag am Mittwoch ebenfalls getötet worden, berichtete das Staatsfernsehen.
Schaukat war für die Opposition als Vize-Minister und ehemaliger Militärgeheimdienstchef eine der meistgehassten Persönlichkeiten innerhalb der Regierung. Der Attentäter soll im Versammlungssaal einen Sprengstoffgürtel gezündet haben. (afp)
12.30 Uhr: Verteidigungsminister bei Anschlag getötet
Der syrische Verteidigungsminister Daud Radscheha ist nach Berichten des staatlichen Fernsehens bei einem Anschlag in Damaskus getötet worden. Vor einem Gebäude der Sicherheitskräfte war am Mittwoch ein Sprengsatz explodiert.
Nach ersten unbestätigten Informationen von vor Ort starben durch die Explosion im Al-Rawda-Viertel fünf Menschen. In dem Gebäude habe gerade eine hochrangig besetzte Sitzung stattgefunden, zahlreiche Angehörige der Sicherheitskräfte seien verletzt worden. Das Verteidigungsministerium hat laut BBC in Kürze ein Statement angekündigt.
Das Staatsfernsehen berichtete, das Attentat sei das Werk eines Selbstmordattentäters. Regimegegner sprachen von einer Autobombe. Bei mehreren Anschlägen in Damaskus in den vergangenen Monaten waren Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition und das Regime hatten sich jeweils gegenseitig beschuldigt.
Abgesehen von dem Anschlag zählten die Regimegegner am Mittwoch landesweit 18 Tote. Die meisten von ihnen seien von Regierungstruppen in den Provinzen Homs und Daraa getötet worden, hieß es. Angriffe habe es auch in Damaskus gegeben, vor allem in den Vierteln Al-Kabun und Al-Midan. (dpa)
11 Uhr: Soldaten in Damaskus getötet
Bei Kämpfen in der syrischen Hauptstadt Damaskus sind nach Angaben einer Aktivistengruppe mehr als 60 Soldaten getötet worden. Wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch mitteilte, wurden am Montag zwischen 40 und 50 Soldaten getötet, mindestens 20 weitere am Dienstag. Damaskus wird seit Sonntag von heftigen Kämpfen zwischen Soldaten und Aufständischen erschüttert. (afp)
Der Kampf um Damaskus
„Wir haben die Operation zur Befreiung Damaskus' begonnen“, sagte der Sprecher der Rebellentruppe Freie Syrische Armee, Oberst Kassem Saadeddine. Die Rebellen hätten der Aktion den Namen „Vulkan Damaskus und Erdbeben Syrien“ gegeben. Im Stadtbezirk Kabun schossen die Rebellen nach eigenen Angaben einen Hubschrauber der Armee ab. Die niedrig fliegenden Hubschrauber seien mit Luftabwehrwaffen ein leichtes Ziel, sagte ein Rebellenkommandeur.
Die syrische Regierung, die bislang zu den Kämpfen in Damaskus geschwiegen hatte, bestätigte diese am Dienstag. Die Sicherheitskräfte hätten Kämpfer gestellt, die in die Hauptstadt eingedrungen seien, sagte Informationsminister Omran Soabi. Einige von ihnen seien geflohen, andere hätten sich ergeben.
Kampfhubschrauber und Scharfschützen
Aufständische berichteten, im Stadtviertel Tadamon seien Raketen und Artilleriegeschosse eingeschlagen. Die Armee setze auch Kampfhubschrauber ein. In Midan seien Scharfschützen auf den Dächern in Stellung gegangen. Auf Videos im Internet waren Männer in Jeans mit Granatwerfern zu sehen sowie brennende Reifen und Rauchsäulen über der Stadt. „Überall sind Soldaten. Ich kann Rettungswagen hören“, sagte ein Anwohner. Man fühle sich wie im Krieg. Die Berichte aus Syrien können kaum überprüft werden, weil die Regierung ausländische Journalisten den freien Zugang verwehrt.
Im benachbarten Israel gehen Sicherheitsexperten davon aus, dass der syrischen Führung die Kontrolle über Damaskus aus den Händen gleite. Präsident Assad ziehe bereits Truppen von der Grenze zu Israel ab, um die Einheiten um Damaskus zu verstärken, sagte der Chef der Militäraufklärung Generalmajor Awiw Kochawi, vor dem Parlament. „Die syrische Armee geht sehr brutal vor; das zeigt die Verzweiflung des Regimes“, sagte er. Assad habe Truppen von den Golanhöhen in die Konfliktgebiete abgezogen.
Annan erreicht nichts in Moskau
Die diplomatischen Bemühungen des UN-Gesandten Kofi Annan um eine einheitliche Position gegenüber der syrischen Regierung haben in Moskau erwartungsgemäß keinen Durchbruch gebracht. Er hoffe, dass die Diskussionen fortgesetzt würden und dass eine gemeinsame Sprache gefunden werde, um in dieser kritischen Angelegenheit voranzukommen, sagte Annan nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Russland lehnt einen Resolutionsentwurf des Westens im UN-Sicherheitsrat zur Ausweitung des Beobachtereinsatzes ab, der die Drohung von Sanktionen beinhaltet. Ein russischer Entwurf sieht keine Strafmaßnahmen vor. Russland und China haben mit ihrem Veto im Sicherheitsrat schon mehrere Resolutionen gegen Syrien verhindert. Eine Abstimmung über eine Syrien-Resolution ist für Mittwoch vorgesehen.
Militärs fliehen in die Türkei
Nach türkischen Angaben flüchteten in der Nacht zum Dienstag ein syrischer Brigadegeneral und weitere Offiziere in das Nachbarland. Sie gehörten zu einer Gruppe von 1.280 Syrern, die über die Grenze in die Provinz Hatay gekommen seien, verlautete aus Behördenkreisen. Damit seien nun 18 Generäle, darunter einer im Ruhestand, in die Türkei geflohen. Insgesamt suchten demnach bislang 42.680 Menschen aus Syrien Schutz im Nachbarland.
In Frankreich bestätigte Präsident Francois Hollande, dass sich der syrische General und frühere Assad-Vertraute Manaf Tlas in dem Land befindet. „Er ist hier“, sagte Hollande vor Journalisten.
Angesichts der zunehmenden Gewalt in Syrien rief die irakische Regierung alle Staatsbürger auf, das Land zu verlassen.
Die US-Regierung forderte Syriens Führung unterdessen auf, für eine verantwortungsbewusste und sichere Lagerung seiner Chemiewaffen zu sorgen. Hintergrund sind Berichte, dass einige C-Waffen heimlich aus ihren Lagern weggebracht worden seien. Es ist aber unklar, ob dies eine Vorsichtsmaßnahme ist oder andere Gründe hat. Die syrische Regierung bestreitet eine solche Aktion. Zu den C-Waffen im syrischen Bestand soll das Nervengift Sarin gehören sowie Senfgas und Zyanid. (rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus