Tages- statt Dauermieter: Gelegenheit für Miethaie
In Bremen wird derzeit durchexerziert, was in vielen Städten zu beobachten ist: Hausbesitzer wollen MieterInnen los werden, um lukrative „Herbergen“ einzurichten.
Gründe nennt der Vermieter nicht für den kurzfristigen Rückzug seiner Klage. System scheint dieses Vorgehen dennoch zu haben: Bereits im November hatte S. eine andere WG aus dem Haus vor den Kadi zitiert, die Klage dann aber ebenfalls in letzter Minute zurück gezogen.
Die Betroffenen nehmen das als eine Zermürbungstaktik wahr, der andere Bewohner des Hauses bereits gewichen sind. Für Anwalt Anatol Anuschewski, der die MieterInnen verteidigt, ist klar: „Die Räumungsklagen haben juristisch weder Hand noch Fuß“, da sie nur im Falle einer unbilligen wirtschaftlichen Härte für den Erfolg Aussicht auf Erfolg haben könnten. Auch die Richter hätten bereits durchblicken lassen, dass sie die Klagen ablehnen würden.
Klar ist: Wird der geräumige Altbau als Tagesherberge betrieben, wie das Herr S. bereits unter fragwürdigen Umständen im Nachbarhaus und in einem weiteren Objekt in der Bremer Neustadt tut, liegen die zu erzielenden Erträge um ein Vielfaches über denen der ortsüblichen Mieteinnahmen – besonders angesichts der aktuellen Geflüchteten-Situation. Pro Nacht zahlt die Stadt Bremen 20 und bis zu 30 Euro für die Unterbringung einer wohnungslosen Person.
Setzt die Stadt also falsche Anreize, indem sie solche Geschäftsmodelle finanziell fördert? In Zeiten des verstärkten Zuzugs von Geflüchteten sei die Stadt Bremen auf die Zusammenarbeit mit Privaten angewiesen, sagt David Lukaßen vom Bremer Sozialressort. Für die Unterbringung von Wohnungs- und Obdachlosen arbeitet die Behörde schon seit Jahren mit circa 15 privaten Betreibern zusammen.
Eine explizite Profitorientiertheit der Betreiber lasse sich nicht immer erkennen, sagt Lukaßen, es sei denn, deren Angebote gingen von sehr hohen Kosten für die Unterbringung aus. Die Stadt verhandle jedoch nur über „marktübliche Preise“. Feste Zahlen oder Deckelungen nennt Lukaßen nicht: „Die Kosten werden anhand verschiedener Kriterien und stadtteilspezifisch verhandelt.“
Der Fall Rückertstraße sei jedoch besonders gravierend. Weitere Wohnungen von Herrn M. werde die Stadt daher nicht anmieten, wenn sie durch Zwang geräumt worden würden, verspricht Lukaßen. Neue Verträge würden nun generell strenger geprüft: „In Zukunft“, sagt Lukaßen, „werden wir konkreter nachfragen“.
Lukaßens Kollege Bernd Schneider hatte schon anlässlich der ersten Räumungsklage in der Rückertstraße klar gestellt: „Das Gebaren des Eigentümers nehmen wir mit Befremden zur Kenntnis.“ Es dürfe nicht sein, dass Eigentümer ihre Mieter aus den Wohnungen herausklagten, in der Erwartung, mit der Unterbringung von Obdachlosen höhere Profite zu erwirtschaften. „Da dürfen wir“, betont Schneider, „nicht die treibende Kraft sein“.
Die Innere Mission ihrerseits beobachtet eine Zunahme der privaten Beherbungsbetriebe für Geflüchtete. Bertold Reetz von der Bereichsleitung Wohnungslosenhilfe betont: „Es ist natürlich nicht hinzunehmen, wenn dafür Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden.“
Die MieterInnen der Rückertstraße sind trotz des gestrigen Rückziehers ihres Vermieters keineswegs zuversichtlich: Neben den Klagen macht ihnen auch der extreme Lärm von wandernden Baustellen im Treppenhaus, im Dachgeschoss und an der Fassade zu schaffen: „Dabei geht es nicht um normale Sanierungsarbeiten“, sagt von Mach, „sondern darum, uns das Leben schwer zu machen“. Eine Familie mit einjährigen Zwillingen sei schon Anfang letzten Jahres ausgezogen, weil ihnen der Druck und Lärm zu viel geworden seien.
Kommende Woche soll die nächste Räumungsklage in Sachen Rückertstraße vor dem Bremer Amtsgericht verhandelt werden – wenn nicht wieder in letzter Sekunde ein Fax eintrifft.
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