Tag gegen Rassismus in Berlin: „Muslime sind keine Fremden“
Lydia Nofal von Inssan, einem Verein deutscher Muslime, über islamfeindliche Straftaten in Berlin.
taz: Frau Nofal, Sie veranstalten zum heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus einen Workshop zu islam- und muslimfeindlichen Straftaten in Berlin – gemeinsam mit anderen muslimischen Verbänden und Kriminologen. Um welche Straftaten geht es dabei?
Lydia Nofal: Im vergangenen Jahr wurden uns elf Übergriffe, volksverhetzende Karikaturen und rechtsradikale Schmierereien an Moscheen in der Stadt gemeldet. In diesem Jahr gab es einen Brandanschlag auf die Ensar-Moschee in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Darüber hinaus sind in Moscheen zahlreiche Drohbriefe eingegangen. Darin finden sich zum Beispiel solche Sätze wie „Eure Moscheen werden wir umbauen in Konzentrationslager, und dann werdet ihr so konzentriert, dass man euch im Ascheeimer entsorgen kann“.
Welche Forderungen haben Sie an die Politik?
Die Polizei muss islamfeindliche Übergriffe als spezifische Deliktgruppe erfassen, wie das seit 1993 zu Recht mit antisemitischen Straftaten geschieht. Bisher werden islam- und muslimfeindliche Übergriffe – als solche nicht erkennbar – in der Polizeistatistik bei fremdenfeindlichen Straftaten erfasst. Muslime sind aber keine Fremden. 45 Prozent der Muslime in Deutschland haben einen deutschen Pass.
Welchen Sinn soll diese statistische Erfassung haben?
Wir reden hier von einer relativ neuen Kriminalitätsform. Um Strategien gegen sie entwickeln zu können, brauchen wir belastbare statistische Angaben. Auf deren Basis lassen sich Täter-Opfer-Konstellationen erkennen und gesamtgesellschaftliche Präventionsmöglichkeiten entwickeln. Auch sozialwissenschaftliche Ursachenforschung wird erleichtert. Eine Zunahme von menschenfeindlichen Einstellungen gegen Muslime ist belegt. Die Opfer des NSU waren überwiegend Muslime. Aber ob innerhalb der rechtsextremen Gewaltkriminalität Übergriffe auf Muslime ein Schwerpunkt sind, können wir mangels exakter Daten nicht sagen.
45, ist Politologin und Projektleiterin beim Verein Inssan (Mensch), einem Verein deutscher Muslime.
Leben Muslime in Berlin gefährlich?
Nein, das wäre überzogen. Aber wir müssen uns dem Problem stellen. Denken Sie etwa an die rechtsextremen Anschläge auf die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. Wir brauchen auch eine Dunkelfeldforschung, weil viele Vorfälle gar nicht bekannt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt