Tag gegen Homophobie: NBA-Funktionär Welts outet sich

Erstmals outet sich in den USA ein namhafter Sportfunktionär als homosexuell – und in den dunklen Ecken der Blogosphäre fürchtet man den Untergang des Abendlands.

Rick Welts: Auch in den USA ist das Thema Schwul-sein im Mannschaftssport tabuisiert. Bild: screenshot youtube.com/watch?v=0Iw7X2Gs4ME

BERLIN taz | Man macht sich große Sorgen im Netz. Ein gewisser "Persevero" prophezeit "die Akzeptanz und Förderung aller Arten der Perversion wie Polygamie, Polyamorie, Päderastie, Unzucht und Ehebruch". Ein "mylife" stellt fest: "Die Gesellschaft ist buchstäblich in dieselbe Hölle geraten wie Sodom und Gomorrha." Und "Jim 0216" fürchtet gar das Allerschlimmste: "Ein Verbot der Bibel".

Was war passiert? Ein Mann hatte der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er homosexuell ist. Mehr war nicht. Dass besorgte Internetkommentatoren nun den Untergang des christlichen Abendlands fürchten, liegt daran, dass dieser Mann ein Sportfunktionär ist. Rick Welts ist Präsident der Phoenix Suns, seit 40 Jahren in wechselnden Funktionen in der NBA aktiv und der erste aktive Funktionär oder Sportler, der sich geoutet hat.

Bis dahin hatte der 1953 geborene Welts eine nachgerade klassische amerikanische Bilderbuchkarriere im Basketball-Geschäft hingelegt. Er begann zwar nicht als Tellerwäscher, aber immerhin als 16-jähriger Balljunge bei den Seattle Supersonics und brachte es dort bis zum Mediendirektor. Dann wechselte er in eine Leitungsfunktion in der Verwaltung der NBA, die bei seinem Dienstantritt als unbeliebteste Profiliga in Nordamerika vor der Pleite stand. Welts trug mit erfolgreichen Werbekampagnen bei zum Aufstieg der grauen Maus zum weltweit erfolgreichen Glamour-Unternehmen. Er gilt als Erfinder des Rummels am All-Star-Wochenende und konzipierte später das Marketing für das olympische "Dream Team" 1992, das die NBA endgültig zur globalen Marke beförderte. Auch bei der Einführung der Frauenliga WNBA war er federführend, bevor er 2002 bei den Phoenix Suns die Geschäfte übernahm.

Dutzende von SMS und E-Mails mit Zuspruch

Seit sich Welts zu Wochenbeginn in einem Artikel in der New York Times zu seiner Homosexualität bekannt hat, gibt sich die NBA Mühe, offen und tolerant mit dem Thema umzugehen. Steve Nash, das Aushängeschild der Suns, teilte mit, er habe sich gewundert, als Welts sich im anvertraute. Er sei davon ausgegangen, dass eh allgemein bekannt ist, dass sein Präsident schwul sei. Suns-Eigentümer Robert Sarver ließ gar wissen, das Outing seines Angestellten sei für seinen Klub "weitgehend ein Nichtereignis". Der Rest der NBA sah das anders: Welts erhielt Dutzende von SMS und E-Mails mit Zuspruch aus der Liga.

Trotzdem geht Welts nicht davon aus, dass ein aktiver Spieler seinem Beispiel folgen und den Mut fassen könnte, aus der Anonymität herauszutreten. "Für Spieler mit ihren kurzen Verträgen steht zu viel auf dem Spiel", sagte er. Im Basketball ist – wie in den meisten anderen Sportarten – Homosexualität weiterhin verpönt. "Der männliche Mannschaftssport ist lange noch nicht so weit wie der Rest der Gesellschaft", stellte Welts fest, "das wird noch Zeit brauchen."

Kobe Bryant beschimpfte einen Schiedrichter als "Schwuchtel"

Wie verbreitet Homophobie noch ist, demonstrierte die NBA erst Mitte April. Während eines Spiels beschimpfte Kobe Bryant einen Schiedsrichter, der ihm ein technisches Foul aufgebrummt hatte, als "Schwuchtel". TV-Zuschauer konnten die Schmähung deutlich an Bryants Lippen ablesen. Die NBA verdonnerte einen ihrer größten Stars zu 100.000 Dollar Strafe, und Bryant entschuldigte sich, legte allerdings Widerspruch gegen die Höhe des Bußgelds ein.

Sein Outing solle zumindest dazu führen, so hofft Welts, dass in der NBA überhaupt über das Thema geredet werde: "Ich bin in den 40 Jahren, die ich im Basketball arbeite, kein einziges Mal gefragt worden, ob ich schwul sei." Dabei war seine sexuelle Orientierung ein offenes Geheimnis, das in Gesprächen sorgsam ausgespart wurde. Aber weder NBA-Boss David Stern noch Basketballlegende Bill Russell, ein langjähriger Freund von Welts seit gemeinsamen Tagen bei den Supersonics in Seattle, waren erstaunt, als sich Welts ihnen kürzlich offenbarte.

Stern hat nun die Hoffnung, nicht nur seine Liga wäre so weit, ein Outing einer ihrer prägenden Figuren mit großer Selbstverständlichkeit zu akzeptieren: "Ich denke, es gibt eine gute Chance, dass die Welt das gar nicht für weiter bemerkenswert erachtet." Zumindest in der Anonymität des Internets ist man allerdings anderer Meinung als der Chef der NBA.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.