Tag eins nach Münte: "Eisernes Dreieck"

In der Koalition ist erneut der Streit um den Post-Mindestlohn ausgebrochen. Für Kritik sorgt auch Becks Entscheidung, nicht in die Regierung zu wechseln.

Die Kanzlerin mit ihrem neuen Vize. Bild: dpa

BERLIN taz Nachdem der Rücktritt von Franz Müntefering eine Schockstarre ausgelöst hatte, ist in die große Koalition am Mittwoch der Streit zurückgekehrt. Im Kern der Auseinandersetzungen standen die geplatzten Pläne für einen Post-Mindestlohn.

Die SPD attackierte die Union scharf. Der Fraktionsvorsitzende Peter Struck betonte, die Verhandlungen hätten "massive ideologische Unterschiede" zwischen beiden Parteien offenbart. Die Verlässlichkeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe er "sehr skeptisch". Ähnlich äußerte sich der ehemalige Generalsekretär Klaus Uwe Benneter: "Jetzt wird deutlich, dass die Kanzlerin keine Prokura mehr hat, die Regierung anständig zu führen", sagte er der taz.

Mit ihrer heftigen Kritik reagieren die Sozialdemokraten auf das Scheitern ihres Anliegens, das Briefdienstwesen ins Entsendegesetz aufzunehmen. Überraschend hatte sich die Koalitionsrunde am Montag nicht einigen können - obwohl sich das Kabinett im September auf einen Post-Mindestlohn verständigt hatte. Die Union beharrt auf der Bedingung, dass der Tarifvertrag für die Briefbranche mindestens die Hälfte der Beschäftigten abdecken muss. Im Gegensatz zur SPD sieht sie diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Die Partei werde sich jedoch vom "Bruch in der Vertrauensarbeit" nicht abschrecken lassen, sagte Benneter. Für die Anfang kommenden Jahres bevorstehenden Landtagswahlkämpfe in Hessen, Niedersachsen und Hamburg sei der Mindestlohn für die SPD ein willkommenes Thema. "Das ist längst nicht abgehakt." Auch die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles gab sich angriffslustig: "Ich glaube, dass die Schonfrist für Frau Merkel wirklich vorbei ist."

Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, reagierte darauf empört: "Ja, das ist eine Drohung, so wie die Politik, die Frau Nahles vertritt, eher für das Land Drohung als Verheißung ist." Die Vorwürfe zum Post-Mindestlohn seien "völlig ungerechtfertigt".

Für Diskussionen sorgte zudem die Entscheidung von SPD-Chef Kurt Beck, nicht selbst ins Kabinett zu wechseln. Aus der Union war die Befürchtung zu hören, dass sich Beck in dieser Rolle als Oppositionspolitiker gerieren könnte. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie "regieren oder opponieren will", forderte Bosbach. Von einem "Mangel an Mut zur Verantwortung" hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch bereits am Dienstag gesprochen.

Bei der SPD hält man Becks Entscheidung für strategisch richtig. "Sich nicht in die Kabinettsdisziplin zu begeben, war vernünftig", sagte Benneter. Generalsekretär Hubertus Heil betonte, Beck könne sich so künftig noch stärker an der Koordination der SPD in der Bundespolitik beteiligen. Er bilde mit der Fraktion und den Ministern ein "eisernes Dreieck".

Tatsächlich aber geht Kurt Beck mit dem Verbleib in Rheinland-Pfalz ein gewisses Risiko ein. Denn der Posten des Vizekanzlers geht jetzt an Außenminister Frank-Walter Steinmeier, den viele wegen seiner Beliebtheit für Becks einzigen Konkurrenten im Rennen um die Kanzlerkandidatur halten.

Steinmeiers großes Manko ist bislang seine schwache Verankerung in der eigenen Partei. Der neue Posten als Vizekanzler könnte ihn aber zu einem größeren Vertrauen der Partei verhelfen. Er, nicht Beck, ist im Regierungsgeschäft jetzt Merkels erster Partner. Zudem ist die Furcht vor der vielzitierten Kabinettsdisziplin nur teilweise berechtigt. Der von Müntefering ins Gespräch gebrachte Mindestlohn zeigt, dass man sich auch innerhalb des Kabinetts politisch profilieren kann.

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