Tag des Denkmals in Berlin: Vom Aussterben bedroht
Die Initiative Kulturerbenetz Berlin veröffentlicht anlässlich des Tags des Denkmals eine rote Liste mit 70 bedrohten Orten in der Hauptstadt.

Der Boxi – wer weiß das schon? – ist schließlich einer von vielen Orte in Berlin, die unter Denkmalschutz stehen. Und Denkmäler unterliegen einem gewissen Schutz, weswegen sich aktuell auch niemand in Friedrichshain Sorgen macht, dass der Boxi demnächst mit Einfamilienhäusern bebaut werden könnte.
Die Initiative Kulturerbenetz Berlin will anlässlich des Tags des offenen Denkmals verstärkt darauf aufmerksam machen, dass einerseits auch der Denkmalschutz keine Vollkaskoversicherung gegen unbotmäßige Veränderung oder gar Zerstörung von Orten ist. Und andererseits fehlender Denkmalschutz für so manches Bauwerk erst recht bedrohliche Auswirkungen haben könnte.
Das Kulturerbenetz Berlin, zu dem sich mehrere Bürgerinitiativen, Vereine, Organisationen und Privatpersonen zusammengeschlossen haben, geht deshalb mit der Veröffentlichung einer „roten Liste“, einer Kartenübersicht bedrohter Objekte in der Hauptstadt an den Start. 70 dieser als bedroht angesehenen Orte werden bislang auf der Homepage der Initiative gelistet, weitere sollen folgen.
Mannigfaltige Bedrohungen
Bei einer Präsentation dieser roten Liste am Mittwochabend in Mitte konnte man einen groben Eindruck davon bekommen, wie viele Objekte in Berlin auf mannigfaltige Weise bedroht sind. Da wäre etwa das Oberstufenzentrum Wedding, ein ehemaliges Gymnasium, das seit zehn Jahren leer steht, weil es seinerzeit hieß, man brauche gar nicht so viele Schulen in Berlin. Das Gebäude einfach abzureißen und den Ort neu zu bebauen traute sich bislang allerdings niemand.
Seit 2019 ist das auch gar nicht mehr so einfach möglich, denn seitdem steht der Komplex unter Denkmalschutz. Wie es hier nun weitergeht, weiß aber auch niemand. Derweil, das belegten ein paar Aufnahmen, die bei der Veranstaltung gezeigt wurden, verkommt die Bausubstanz immer mehr.
Oder der ehemalige Flughafen Johannisthal in Treptow-Köpenick: Der sei eigentlich von „herausragender Bedeutung“ hinsichtlich der Geschichte der deutschen Luftfahrt, bekommt man erklärt. Selbst die Gebrüder Wright bauten hier vor dem Ersten Weltkrieg Flugapparate. Trotz Denkmalschutz werde aktuell ein Bebauungsplan für das Gelände erarbeitet, der den weitgehenden Abriss auch eigentlich denkmalgeschützter Gebäude vorsieht. Stattdessen sollen dort Wohnungen gebaut werden.
Einteilung in „ungewiss“, „bedroht“ oder „zerstört“
Die in die rote Liste aufgenommenen Objekte werden von Kulturerbenetz Berlin in verschiedene Kategorien eingeteilt. Der Flughafen Johannisthal etwa gilt demnach als „bedroht“. Das OSZ in Wedding wird dagegen unter „ungewiss“ einsortiert. Besonders dramatisch mutet die Kategorie „zerstört“ an, unter der erstaunlicherweise das so viel gelobte Bikini-Haus in Charlottenburg-Wilmersdorf auftaucht. Dem wird attestiert, als Denkmal „durch den nicht denkmalgerechten Umbau und die Totalsanierung in fast allen Denkmaleigenschaften zerstört worden“ zu sein.
Einen Eintrag unter dem Stichwort „Gelöst“ bekommt einzig und alleine das sogenannte Eierhäuschen im Plänterwald, ein schon im 19. Jahrhundert errichtetes Ausflugslokal, das nach langem Leerstand und nun erfolgter denkmalgerechter Sanierung noch in diesem Jahr wieder eröffnet werden soll. Die Objekte mit dem Status „gelöst“ bekommen in der Online-Aufbereitung der roten Liste den Farbcode Grün. Das Ziel sei es, so die Initiative am Ende der Präsentation, mittelfristig aus einer roten Liste eine grüne zu machen.
Tag des offenen Denkmals – 10. und 11. September
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
Buch über Strategien von AfD und Putin
Vergangenheit, die es nie gab
+++ Die USA unter Trump +++
Trump entlässt den Generalstabschef der US-Streitkräfte