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Tag der Pressefreiheit 2025News und Austausch

„Documented New York“ will gemeinschaftsorientierten Lokaljournalismus für Migranten nicht nur in deren Sprachen, sondern auch für sie und mit ihnen.

Solidarität mit Frauen und Kindern aus Lateinamerika Foto: Giulia McDonnell Nieto del Rio for Documented

Die Motivation für Documented New York entstand 2018 durch unsere Co-Gründer Mazin Sidahmed und Max Siegelbaum. Ursprünglich ging es um die Berichterstattung über die Family Separation Policy während der ersten Trump-Präsidentschaft. Damals wurden Familien, die ohne gültige Papiere die Grenze überquerten, getrennt – Eltern kamen in Haft, Kinder in separate Einrichtungen.

Auf nationaler Ebene wurde viel darüber berichtet – auf lokaler Ebene nicht genug. Und das, obwohl die Regulierungen dort das Leben von Leuten treffen. So ist die Idee für unser Nachrichtenportal entstanden. Eine unserer Grundprinzipien ist, Journalismus nicht über Migrant*innen, sondern für und mit ihnen auf lokaler Ebene zu ermöglichen.

Medien für Mi­gran­t*in­nen in den USA

Nicht englischsprachiger Journalismus hat in den USA eine lange Geschichte, die eng mit der Einwanderungsgeschichte des Landes verknüpft ist. Schon im 18. Jahrhundert erschienen Zeitungen auf Deutsch, später auch auf Italienisch, Jiddisch oder Chinesisch. Eine Zeit lang waren Deutsche die einflussreichste Gruppe in der ethnischen Presse. Ethnomedien sind in den USA (Massen-)Medien, die sich jeweils an bestimmte ethnische Migrantengruppen richten.

Heute sind vor allem spanischsprachige Medien stark vertreten – mit großen Playern wie dem Fernsehsender Univision oder Telemundo, aber auch zahlreichen lokalen Radiosendern, Print- und Online-Angeboten. Anderssprachiger Journalismus informiert nicht nur über Nachrichten aus den Herkunftsländern, sondern auch über Politik, Alltag und Rechte in den USA. Er stärkt demokratische Teilhabe, gerade in den Communities, die vom Mainstream-Journalismus kaum erreicht werden. Die Reichweite ist beachtlich: Univision etwa erreicht regelmäßig Millionen Zuschauer*innen. Trotz ihrer Relevanz kämpfen viele dieser Medien mit Unterfinanzierung und politischem Druck – ihre Rolle als Brücke und Stimme bleibt dennoch zentral. Julia Belzig

In New York leben 700.000 Menschen, die Spanisch sprechen, 500.000, die Chinesisch sprechen, und 30.000, die haitianisches Kreol sprechen. Nicht alle von ihnen sprechen gut Englisch oder konsumieren englischsprachige Medien. Der Ansatz unserer digitalen Plattform Documented New York ist gemeinschaftsorientierter Journalismus. Das heißt, wir schreiben nicht nur über Themen, die für die jeweilige migrantische Community wichtig sind, sondern wir interagieren auch mit ihnen, beantworten ihre Fragen und haben so auch ein gutes Gespür dafür, was sie beschäftigen. Deshalb nutzen wir unterschiedliche Plattformen, um die Menschen zu erreichen. Für spanischsprechende Menschen ist es WhatsApp, die chinesische Community nutzt die App WeChat, viele karibischstämmige Menschen nutzen die NachbarschaftsApp Nextdoor. Dort bieten wir ihnen News, aber auch den Austausch.

Obwohl wir ein kleiner Newsroom sind, ist unser innovatives Konzept der Zeit voraus. Unser Team besteht aus 15 Leuten, unsere Mit­ar­bei­te­r*in­nen sind unglaublich motiviert und ihre Arbeit ist sehr wichtig. Sie kommen selbst aus den Communities, über die sie schreiben. Wir machen nicht nur Service-Journalismus und auch Investigativ-Journalismus. In Bedarfsanalysen, die wir erhoben haben, berichten Migrant*innen, dass ihnen drei Ansätze wichtig sind: weder als Kriminelle noch als Opfer dargestellt zu werden, der Zugang zu nützlichen Informationen und Nachrichten auf den Plattformen zu bekommen, die sie auch sonst benutzen.

Rebecca Neuwirth

ist Chief Strategy Officer bei Documented New York. Im Nonprofit-Sektor unterstützte sie zuvor Mi­gran­t*in­nen bei der Jobsuche und stärkte den Dialog zwischen amerikanischen Jüdinnen und Juden und anderen Gemeinschaften. Ihre Familie hat deutsche Wurzeln. Sie hat einen Bachelorabschluss von der Yale University sowie einen Magister der Freien Universität Berlin.

Soziale Medien lassen Raum für Fehlinformationen

Finanziert werden wir zu 92 Prozent von Stiftungen und Privatpersonen, weniger als 8 Prozent der Einnahmen kommen von Anzeigen und Werbung. Im ersten Quartal dieses Jahres haben wir eine Million Zugriffe auf allen Kanälen und Portalen erreicht. Durch Trump ist diese Zahl auch definitiv gestiegen.

Beilage Tag der Pressefreiheit 2025

Die Beilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit 2025 finden Sie

Viele Communities bekommen ihre Nachrichten nicht von US-amerikanischen, englischsprachieen traditionellen Medien. Oft bekommen sie ihre News beispielsweise eher auf ihnen bekannten Social-Media-Plattformen. Das lässt aber auch Raum für viel Fehl- oder ideologisch-gefärbte Informationen – besonders in den letzten Jahren – mit gravierenden Konsequenzen. Bei der Präsidentschaftswahl 2024 war beispielsweise zu erkennen, dass viele Mi­gran­t*in­nen nach rechts gerutscht sind in ihrem Wahlverhalten. In anderen Fällen werden sie Opfer von Betrug und ihnen wird Geld aus der Tasche gezogen.

Ich denke, dass Lokalnachrichten dazu beitragen, dass Menschen tief mit dem Geschehen in ihrer Gemeinde verbunden sind. Sie helfen ihnen, sich zurechtzufinden, Kontakte zu knüpfen, aber auch, Chancen zu nutzen, gute Jobs zu finden und aktive, engagierte und informierte Bür­ge­r*in­nen zu sein. Dazu wollen wir mit Documented New York beitragen.

Protokoll von Julia Belzig, freie Journalistin in Berlin, die 2024 mit dem Daniel-Haufler-Stipendium der taz Panter Stiftung in den USA war.

Dieser Artikel erscheint am 3. Mai 2025 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit.

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