: Tätigkeit im Terror
Peter-Jürgen Boock wurde 1951 geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen in Schleswig-Holstein und Hamburg auf. Mit seinem Vater, einem ehemaligen Wehrmachtssoldaten und Alkoholiker, lieferte sich Boock heftige Auseinandersetzungen. Nach zwei Ausreißversuchen in die DDR und die Niederlande stellten seine Eltern einen Antrag auf „freiwillige Erziehungshilfe“.
Boock wurde daraufhin in die Jugendheime Glückstadt und Rengshausen eingewiesen. Dort traf er mit siebzehn zum ersten Mal Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die wegen Brandstiftung in mehreren Frankfurter Kaufhäusern, frisch verurteilt, als Bewährungsauflage einer „Tätigkeit im sozialen Bereich“ nachgingen. Tatsächlich motivierten sie Boock und andere Jugendliche zum Ausbruch aus dem Heim und organisierten für sie Wohnmöglichkeiten in Frankfurt.
Als sich Mitte der Siebzigerjahre die zweite Generation der RAF formierte und die Befreiung der RAF-Gefangenen zu ihrem Ziel machte, war Peter-Jürgen Boock zusammen mit Brigitte Mohnhaupt einer der Anführer. Im Juli 1977 war Peter-Jürgen Boock als Fahrer des Fluchtwagens an der gescheiterten Entführung des Bankiers Jürgen Ponto beteiligt, er konstruierte den Raketenwerfer, mit dem im August 1977 ein Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verübt werden sollte, und gehörte zu dem vierköpfigen Kommando, das im September 1977 Hanns-Martin Schleyer entführte und seine Begleiter ermordete. Auch an Banküberfällen war er beteiligt.
Vierzehn Nächte bewachte Peter-Jürgen Boock Schleyer stundenweise im „Volksgefängnis“, wie die RAF ihr Quartier in Erftstadt-Liblar nannten. Während der „Landshut“-Entführung und der anschließenden Ermordung der Geisel befand sich Boock in Bagdad. Ende 1979 sagte er sich von der RAF los und lebte bis zu seiner Verhaftung 1981 unerkannt in Hamburg. Für diese Taten wurde Boock erstmals 1984 zu dreimal lebenslänglicher Haft verurteilt, später wurde das Urteil auf einmal „lebenslänglich“ reduziert. Das Gericht erkannte in der Revision auf verminderte Schuldfähigkeit, weil Boock Ende der Siebzigerjahre zum Teil stark drogenabhängig war.
In der Öffentlichkeit stellte sich Boock als kleiner Mitläufer und Techniker der RAF dar und galt deshalb für die linke Öffentlichkeit als Beispiel für die harte und unmenschliche Haltung des Staats gegenüber den RAF-Terroristen. Prominente wie Heinrich Albertz, der frühere Bürgermeister von Berlin, und Ralph Giordano setzten sich für ihn ein, Bundespräsident Richard von Weizsäcker prüfte eine Begnadigung. Erst 1992, nachdem RAF-Aussteiger aus der DDR aussagten, gab Boock den vollen Umfang seiner RAF-Mitgliedschaft zu. Daraufhin wurde er erneut zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.
Seit 1998 ist Boock auf Bewährung aus der Haft entlassen und lebt mit seiner Frau, mit der er seit achtzehn Jahren verheiratet ist, in einem kleinen Ort südlich von Freiburg. Er arbeitet als freier Autor für den Spiegel und andere Medien, schreibt Bücher und Drehbücher. Im September erschien bei Eichborn die „dokumentarische Fiktion“ „Die Entführung und Ermordung des Hanns-Martin Schleyer“, in der sich Boock an die Gespräche mit Schleyer während der Entführung erinnert. Im Audiobuch Verlag erschienen dazu zwei Hörbücher. Bereits 1988 veröffentliche Boock im Rowohlt Verlag den Schlüsselroman „Abgang“. Darin beschreibt er das Leben fiktiver Mitglieder in einer Terrorgruppe. HENNING KOBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen