Tadel für Merkel im Bundestag: Schweig, Angie!
Bundestagspräsident Lammert schickt Merkel auf die letzte Bank. Der Grund? Tuscheln in der Debatte. Der wahre Grund? Ein anderer.
Haushaltsdebatten sind trocken Brot. Viele Zahlen, viel Rauschen. Die Debatten darüber gehen der Bundeskanzlerin wohl genauso schlecht runter wie dem Otto Normalbürger. Jedenfalls hatte Angela Merkel am Mittwoch Besseres zu tun, als Gesine Lötzschs (Linke) Debattenbeitrag aktiv zu lauschen.
Sie schritt also gemütlich zum CDU-Kollegen Volker Kauder hinüber, flüsterte ihm irgendwas zu, dabei sorglos in der ersten Reihe stehend. Kauder spannte die Lauscher, um von den Merkel’schen Ausführungen bloß nichts zu verpassen – bis Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) dazwischengrätschte. „Frau Bundeskanzlerin und Herr Kollege Kauder, das muss so jetzt nicht sein, und wenn, dann muss es jedenfalls nicht vorne sein“, sagte er in einem Ton, der viel oberlehrerhafter kaum hätte sein können.
Für seine Kanzlerin-Rüge erhielt Lammert Applaus von den Bundestagsmitgliedern, Merkel ließ sich mit Kauder in einer der hinteren Reihen nieder – und setzte dort, scheinbar unbeeindruckt, ihr Gespräch fort. Die Frau hat ja bereits einige Erfahrungen mit launischen Männern gemacht. Vor allem der 20. November 2015 ist noch in guter, weil schlechter Erinnerung.
CSU-Parteitag München: Seehofer führt Merkel auf offener Bühne vor, die Kanzlerin bleibt äußerlich gelassen. Innerlich wird sie Seehofer verflucht haben. Lammerts Machtspielchen wiegt da weniger schwer. Er hat natürlich das Recht, im Bundestag für eine angemessene Atmosphäre zu sorgen.
Ob das nun die Kanzlerin betrifft oder einen „einfachen“ Abgeordneten, ist prinzipiell egal. Nur darf man sich die Frage stellen, welcher Faktor das Geschlecht spielt. Denn auch bei Lammert hatte es den Anschein, dass er jenem CDU/CSU-Männerklub angehört, der Frau Merkel genüsslicher in die Schranken weist als unbedingt nötig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste