Tach auch: Verzweifelliste
■ Die neue kleine und erbauliche Montagskolumne der taz / 42. Versuch
Manchmal hängen irgendwo Zettel mit einer kleinen Notiz, und niemand weiß, wie sie dahinkommen. Außerirdische? Bei mir am Merkzettelbrett hängt ein weißes A5-Blatt, darauf steht: Verzweifelliste. Unterstrichen. Wieso hängen Außerirdische mir so einen suggestiven Mist ins Zimmer? Verzweifelliste! Eben war ich noch froh, schon bin ich depressiv. Das Papier ist nämlich leer, aber die Liste lang. Dabei gibt es überhaupt keine Liste. Diese verdammten Außerirdischen mit ihren suggestiven Botschaften!
Die Zettelaufhänger sind sowieso nur die Vorhut. Ich glaube, wir stehen kurz vor einer Invasion der Außerirdischen. Sie kommen mit dem Neuen Strom. Am liebsten via Billigstrom. Von Billigstrom, düstere Damen, heitere Herren, lassen wir die Finger. In der FAZ las ich, dass es verschmutzten und unzuverlässigen Strom gibt – wer kann den brauchen? Ein Anbieter wirbt schon mit „Markenstrom“. Da horchen wir auf. Mal nachfragen, ob sie einen Außerirdischen-Filter installiert haben.
Neulich wurde ich nachts wach, gegen vier, und ein Außerirdischer knabberte meine Zehennägel ab. Ach so! Deshalb wachsen die nicht mehr! Als der kleine Kerl auch noch bat, mich von hinten fotografieren zu dürfen, und zwar nackt, nagelte ich ihn mit einem Zimmermannsnagel an die Verzweifelliste. Er machte ein Geschrei, dass es das Herz eines Eisenbiegers erweicht hätte. Ich aber bin kein Eisenbieger, sondern ein Schmierfink mit Sauklaue, der auf einen A5-Zettel das Wort Werkzeugkiste kritzelt und später die Außerirdischen verdächtigt.
Nur: wieso Werkzeugkiste? Ich glaube, sie sind doch schon da! Ihr Chef heißt Schröder und kam via Yello-Strom.
Burkhard Straßmann
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