TV-Rezension von „Studio Amani“: Anlass zur Hoffnung
Die zweite Folge von „Studio Amani“ zeigt: Das Team hat sich die Kritik nach dem Debüt zu Herzen genommen. Trotzdem ist weiter Luft nach oben.
Der Blick auf Twitter dürfte Enissa Amani am Morgen nach ihrer zweiten Show wenig Freude gemacht haben. Wie bereits nach der ersten Folge von „Studio Amani“ findet sich dort vorwiegend Kritik, bei der jeder Feedback-Referent rot werden würde:
“Noch zehn Minuten und Nordkorea kauft #Studio Amani zur Folter“ (Rob Vegas) oder “Gute Quoten, schlechte Nachrichten: Wir dürfen #Studio Amani weiter beim Sterben zusehen.“ (baked Toaster) waren nur zwei von vielen negativen Kommentaren zur Sendung.
Doch die Moderatorin hat bereits in den ersten fünf Minuten dieser zweiten Folge gezeigt, dass sie die Eigenheiten der sozialen Netzwerke verstanden hat und selbst ordentlich austeilen kann: „Da kommt dann jemand auf Deine Seite und schreibt ‚Schlampe‘ oder ‚Nutte‘. Ich antworte sogar denen und schreibe drunter ‚Deine Mutter‘, ‚Deine Mutter‘.“
Die Fallhöhe von „Studio Amani“ war groß. Nach ihrem Comedypreis als „Bester Newcomer“ im vergangenen Jahr und zahlreichen gelobten Auftritten sowohl in Kabarett- als auch in Comedyformaten galt die Deutsch-Iranerin als neue Hoffnungsträgerin der Late-Night-Unterhaltung. Dass sie Montags um 23.15 Uhr auf einem der ehemaligen „TV Total“-Plätze lief, machte die Sache nicht leichter.
Die Kritik nach dem Debüt war auch abseits der sozialen Medien heftig – und größtenteils gerechtfertigt. Damals lief vieles nach dem Motto: „Wir haben hier eine gut aussehende Frau, die ist lustig und interessiert die jungen Leute – also lasst sie mal machen.“ Der Sendung fehlte der rote Faden. Viele Gags zündeten nicht. So wollte Amani in Form einer Teleshopping-Sendung allen Rechtspopulisten „Menschlichkeit“ verkaufen. Personen aus dem Publikum durften ihre lustigsten, aber leider dennoch langweiligen, Erlebnisse erzählen und bekamen dafür eine Torte ins Gesicht. Negativer Höhepunkt der Premiere waren zwei Meerschweinchen, die Amani in Anlehnung an Donald Trump minutenlang als „rassistischen Trumpi“ und sein mexikanisches Einwandererpendant „Héctor Valdez Villa Real García“ vorstellte.
Serdar Somuncu stiehlt ihr die Show
Die Meerschweinchen schafften es auch in die zweite Folge, zum Glück mit einem deutlich kürzeren Auftritt. Insgesamt hat das Team das negative Feedback offensichtlich beherzigt. Vieles war in dieser zweiten Folge besser, wenn auch längst nicht alles. Ihre Stärken Selbstironie und Stand-Up hat Enissa Amani stärker einbringen können, dazu kam ein unterhaltsamer Studiogast. Als Strafe für die Tortenschlacht in Folge 1 bekam die Moderatorin nun selbst Backware ins Gesicht geklatscht. Das Comedy-Battle, bei der zwei Comedians die Herkunft des jeweils anderen aufs Korn nehmen, war früher in der Sendung platziert. Zum Abschluss schickte das Team sie zu einem StandUp-Auftritt in die JVA Hannover.
Mittelpunkt und Highlight der Show war jedoch der Auftritt von Comedy-Kollege und Vollblut-Choleriker Serdar Somuncu. Als Gast hat er Amani zwischenzeitlich die Show gestohlen. Bei der Zuschauerfrage, was er AfD-Chefin Frauke Petry ins Gesicht sagen würde, antwortete er: „Ob ich ihr ins Gesicht schlagen würde? Ja. Ein Fahrrad oder so.“ Amani konnte diesem bissigen Ton nicht so Recht Paroli bieten. Beim Spiel „Promi-Tabu“ drückte sie sich vor harschen Aussagen über Xavier Naidoo und Helene Fischer. Später blamierte sie sich sogar, als sie nicht wusste, in welchem Bundesland Wolfsburg liegt. Da half auch die Begründung „Ich scheiß auf Bundesländer“ nichts.
Insgesamt macht diese knappe Stunde Hoffnung für die verbleibenden sechs Folgen – auch ProSieben. Gegenüber dem starken Einstand und der anschließenden Enttäuschung sackten die Quoten bei der zweiten Folge nur leicht ab und blieben mit 15,7 Prozent Marktanteil auf gutem Niveau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind