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TV-Kritik Orlando-SondersendungBrennpunkt Unbehagen

War der Anschlag in Orlando homophob oder islamistisch? Dem Brennpunkt war die Unterscheidung wichtig. Doch das „oder“ ist deplaziert.

Zeichen der Solidarität vor der US-Botschaft in Thailands Hauptstadt Bangkok Foto: imago/Pacific Press Agency

Sonntagnacht wurden 50 Besucher*innen des queeren Tanzclubs Pulse in ­Orlando, Florida, von einem ­homophob motivierten 29-jährigen Mann ermordet. Der WDR gestaltete dazu einen „ARD Brennpunkt“, der am Sonntag um 20.15 Uhr auf Sendung ging und prompt die Fremdschämreflexe der Zuschauer aktivierte: Der Moderatorin Ellen Ehni und dem zugeschalteten US-Korrespondenten Ingo Zamperoni bereitete es sichtlich Unbehagen, Begriffe wie „schwul“ und „homosexuell“ überhaupt auszusprechen – als ob sich beide habituell noch in den 1970er Jahren wähnten.

Zamperoni erging sich in unsäglichem grammatikalischen Geschwülst, dachte dabei aber wenigstens noch daran, dass im Pulse-Club vielleicht auch lesbische Frauen zu Tode gekommen sein könnten. Ellen Ehni faselte nur von „Schwulenhass“ und „Schwulenclub“, um sich schnell auf den Täter und das Tatmotiv zu konzentrieren? Stimmen von Augenzeugen? Keine.

Schlimmer noch, man kam in der Redaktion auf die Idee, zwei gegensätzliche Tatmotive zu entwickeln – „Schwulenhass“ oder „Islamistischer Terror“? Ein Oder, welches kaum deplatzierter sein könnte. Sind nichtheterosexuelle Menschen als Opfer nachrichtlich weniger relevant – aus Sicht der WDR-Redaktion? Ist ein Angriff auf feiernde, queere Partygänger*innen weniger News als ein „islamistischer Terrorakt“? Welch wirre Köpfe in der WDR-Redaktion dachten hier in zwei unterschiedliche Kategorien?

Unter den Ermordeten ist auch Luis Vielma, der im Harry-Potter-Themenpark in Orlando arbeitete. Die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling twitterte: „Er war 22 Jahre alt. Ich kann nicht aufhören zu weinen.“

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