TU Berlin wählt neuen Präsidenten: Kampf unter Hirschen
Für Amtsinhaber Jörg Steinbach wird es eng. Sein Herausforderer wirbt mit einem partizipativen Führungsstil und einem Kulturwechsel.
Der Kampf verspricht spannend zu werden, denn die Kandidaten sind ähnlich stark: Die technische Universität wählt am Mittwoch einen neuen Chef. Die Mitglieder des erweiterten Akademischen Senats, des Wahlgremiums, können ihre Stimme entweder Amtsinhaber Jörg Steinbach oder seinem Herausforderer Christian Thomsen geben.
Der Prozessingenieur Steinbach hat die Uni in den letzten vier Jahren geführt und wirbt mit einem „Weiter so“. „Wir liegen heute gemeinsam mit Karlsruhe auf Platz 3“, schreibt Steinbach in seiner Bewerbung. Bei Amtsantritt hatte er sich nämlich zum Ziel gesetzt, die TU in den Top 5 der deutschen Hochschulen zu platzieren. Also Plan erfüllt, fast vergessen das schmähliche Ausscheiden in der Vorrunde der Exzellenzinitiative vor drei Jahren.
Der Physiker Christian Thomsen ist dagegen der Meinung, dass man noch viel mehr aus der TU machen könnte, und listet auf seiner gleichnamigen Webseite (mehr-aus-der-tu-machen.de) auf, was sich ändern muss. Wissenschaftlern will er mehr Freiräume geben, Verwaltungsmitarbeiter besser einbeziehen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im November verwies Thomsen außerdem auf seinen hohen „Hirsch-Faktor“, ein Index, der Artikel und Zitationen in Fachzeitschriften erfasst und auf den argentinischen Physiker Jorge Hirsch zurückgeht. Das signalisiert: Achtung, hier naht ein wissenschaftliches Prachtexemplar. In seiner Bewerbung verspricht er dennoch einen partizipativen Führungsstil. „Wir werden uns für die Wiederherstellung der Diskussionskultur in den Gremien unserer Universität einsetzen“, schreibt Thomsen.
Die Macht der Rektorate ist in den letzten Jahren bundesweit enorm gewachsen. Präsidenten sind heute Manager mit Vetorecht und Dienstherren über Hunderte Mitarbeiter. Weder von Thomsen noch von Steinbach wird erwartet, dass sie diese Machtbefugnisse zugunsten von mehr Mitsprache einschränken. Im Gegenteil.
Als der erweiterte Akademische Senat der TU im Mai beschloss, seine Zusammensetzung so zu ändern, dass alle vier Statusgruppen – Professoren, wissenschaftliche, technische Mitarbeiter und Studierende – gleich stark vertreten sind, kassierte Präsident Steinbach den Beschluss mit Verweis auf den Senat und das Grundgesetz umgehend. Auch Thomsen ließ durchblicken, dass er genauso gehandelt hätte.
„Belange von Studierenden haben ihn als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät bisher nur mittelmäßig interessiert“, berichtet Christian Korff, Mitglied im erweiterten Akademischen Senat. Dennoch könnten Korffs Stimme und die Stimmen der neun anderen studentischen Vertreter in dem 61-köpfigen Wahlgremium entscheidend sein. Denn die Gruppe der Professoren, die traditionell die absolute Mehrheit hat, ist gespalten. Liberale und Linke neigen eher zu Thomsen, Steinbach wird vom konsvervativen Lager unterstützt. Falls keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht, ist für die nächste Woche ein zweiter Wahlgang geplant. Sollte es einen dritten Wahlgang geben, genügt die einfache Mehrheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass