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TTIP und die Idee vom FreihandelDeutschland ist der größte Sünder

Nichts ist liberalen Ökonomen so heilig wie der freie Handel – doch effizienter Freihandel ist unrealistisch. Deutschland ist dafür das beste Beispiel.

USA! USA? Wie gut ist die freie Handelszone? Foto: imago/IPON

Kaum ein Thema bringt mehr Menschen auf die Straße als TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa. Die Menschen haben ein gutes Gefühl dafür, dass hier einer Ideologie wichtige Werte geopfert werden. Auf der anderen Seite steht die große Mehrheit der Ökonomen, die den Freihandel mit Zähnen und Klauen verteidigt. Für sie ist die Idee des Freihandels absolut zentral für erfolgreiches Wirtschaften. Wenn jedes Land, so die Idee, sich auf die Herstellung der Güter spezialisiert, die es am günstigsten produzieren kann, gewinnt die Welt insgesamt, weil damit alle produktiver werden.

Nichts ist den liberalen Ökonomen und Politikern so heilig wie der freie Handel. Der Freihandel ist das Einzige, was die liberalen Ökonomen aufgeboten haben, um den Wohlstand der Nationen zu erklären. Die Theorie basiert im Kern immer noch auf einer Doktrin, die vor 200 Jahren der englische Ökonom David Ricardo postuliert hat. Damals befürchtete man, dass der freie Handel schaden könnte, weil einige Länder gegenüber anderen bei praktisch jedem handelbaren Produkt Vorteile hätten. Um solche absoluten Vorteile auszugleichen, müsste das unterlegene Land durch Protektionismus dafür sorgen, dass auch seine Produzenten eine Chance zum Überleben haben.

Dagegen stellte David Ricardo sein berühmtes Prinzip, wonach es im internationalen Handel auf die komparativen Vorteile und nicht auf die absoluten Vorteile ankommt. Wenn also, das ist ein Beispiel von Ricardo, in einem Land ein Produzent besonders gut Schuhe herstellt, der Produzent in einem anderen Land aber besonders effizient ist in der Herstellung von Tuch, dann können die beiden miteinander Handel treiben, selbst wenn der Hersteller von Schuhen auch Tuch günstiger herstellen könnte. Die Spezialisierung, also die Konzentration des Schuhherstellers auf die Schuhe und des Tuchherstellers auf Tuch, würde für beide ein besseres Ergebnis erbringen.

Schon dieses Beispiel zeigt, wie realitätsfern Ricardos Idee ist. Denn offenbar unterstellt er, dass der Schuster vollständig ausgelastet ist mit der Herstellung von Schuhen, so dass er gar nicht auf die Idee kommt, Schuhe und Tuch zugleich herzustellen. Es gibt aber in der Welt keine voll ausgelastete Volkswirtschaft. Jeder wird, wenn er absolute Vorteile hat, diese Vorteile auch nutzen. Unterstellt ist in der neoklassischen Handelstheorie, dass alle Produktionskräfte jederzeit voll beschäftigt sind und eine Ausweitung der Kapazitäten nicht möglich ist. Das ist absurd.

Währungen sind Spielbälle der Spekulation

Zudem unterstellt die Ricardo’sche Vermutung, dass – bei Vollbeschäftigung – die Entlohnung der Arbeitskräfte jederzeit und in allen beteiligten Ländern exakt die jeweilige Knappheit von Arbeit und Kapital widerspiegelt. Das ist eine nicht weniger heroische Annahme. Für den internationalen Handel sind Nominallöhne entscheidend, weil sie – zusammen mit den Währungsrelationen – die für den Handel entscheidenden Preise bestimmen. Was ist aber, wenn, wie das fast immer zu beobachten ist, in vielen Ländern die Inflationsraten weit auseinanderlaufen?

Dann müsste es zumindest einen funktionierenden Mechanismus geben, der dafür sorgt, dass die weit auseinanderlaufenden Preise und Löhne – in internationaler Währung gerechnet – ausgeglichen werden. Dieser Mechanismus könnte die Wechselkursbildung zwischen den nationalen Währungen sein. Das aber funktioniert überhaupt nicht. Währungen sind heute zum Spielball der Spekulation geworden und werden über Jahre in die vollkommen falsche Richtung getrieben, da Spekulanten Inflations- und Zinsdifferenzen ausnutzen, um kurzfristige Gewinne zu machen. So gibt es auch hier keine rationale Ausgangsbasis für den Freihandel.

Damit aber nicht genug. Die neoklassische Theorie des internationalen Handels unterstellt zudem, dass Direktinvestitionen, die von Produzenten aus Ländern mit hoher Produktivität in Ländern mit niedriger Produktivität und niedrigen Löhnen getätigt werden, jederzeit von den relativen Preisen von Arbeit und Kapital gelenkt werden. Man nimmt an, dass der westliche Produzent eines mobilen Telefons, der seine Produktion nach China verlagert, für die Produktion in China eine völlig neue Technologie erfindet, die wesentlich arbeitsintensiver als zu Hause ist, um dem niedrigeren Preis von Arbeit in China Genüge zu tun. Das ist nicht mehr fragwürdig, das ist lächerlich.

Die neoklassische Gleichgewichtstheorie unterstellt, dass Unternehmen keinen Gewinn machen. Vor allem dürfen die Unternehmen keinen Gewinn machen, der sich aus einem monopolistischen Vorsprung ergibt. Wenn also mobile Telefone in China produziert werden, dann wird, nach dieser Vorstellung, die erfolgreiche westliche Technologie weggeworfen, und man erfindet für China eine neue, arbeitsintensive Technologie. Mit der stellt man das gleiche Produkt in gleicher Qualität her und bietet es auf dem Weltmarkt genau zum gleichen Preis und ohne Zusatzgewinn an.

Damit verzichtet der Produzent – laut neoklassischer Theorie – auf den Gewinn, den er gemacht hätte, wenn er die hohe westliche Produktivität mit den niedrigen chinesischen Löhnen kombiniert hätte. Dann hätte er nämlich seine Lohnstückkosten, also die Produktivität dividiert durch die Löhne, deutlich senken können. Diese Chance nimmt der Unternehmer nicht wahr, denn er darf ja keinen Extragewinn machen.

Wir müssen reden

Direktinvestitionen haben heute so gewaltige Effekte, dass man zum Beispiel den chinesischen Handel in keiner Weise mehr mit dem normalen Handel eines der westlichen Industrieländer vergleichen kann. Der chinesische Handel besteht nämlich zum großen Teil aus dem Handel von westlichen Unternehmen, die ihren Standort in China haben. Man schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der gesamten Exporte Chinas nicht Exporte chinesischer Unternehmen sind, sondern Exporte solcher ausgelagerten westlichen Unternehmen. Dies zeigt, dass die Begründung für den Freihandel nicht auf tönernen Füßen steht, sondern auf gar keinen.

Daraus folgt, dass die gesamte Freihandelsideologie dieser Welt auf einer Theorie beruht, die nicht nur unrealistisch, sondern falsch ist. Der internationale Handel mag folglich frei sein, wir wissen jedoch nichts darüber, ob er effizient ist. Die Gleichsetzung von Effizienz und Freiheit ist es aber, die für TTIP und die üblichen Freihandelsverhandlungen die entscheidende Voraussetzung ist.

Wir wissen nicht, ob die Liberalisierung des Handels effizient ist. Wir wissen aber sehr wohl, dass die Idee, jeder Eingriff in den freien Handel sei schädlich und ineffizient, einfach falsch ist. Ein Land beispielsweise, das sich gegen den massiven Import aus einem anderen Land wehrt, in dem Unternehmen mit extrem hohen Monopolgewinnen hohe Produktivität mit niedrigen Löhnen kombinieren, ist nicht zu verurteilen. Eine protektionistische Maßnahme, die sich dagegen richtet, kann insgesamt die Wohlfahrt auf der Welt verbessern, weil sie verhindert, dass durch solche Monopolgewinne im Prinzip gesunde Unternehmen im Inland geschädigt werden.

Noch schlimmer als all das oben Erwähnte ist, dass einige Länder versuchen, in merkantilistischer Manier viel mehr zu exportieren als zu importieren. „Globale Ungleichgewichte“ heißt dieses Phänomen, das in krassem Gegensatz zur Freihandelsdoktrin steht. Deutschland ist hier der größte Sünder weltweit. Für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg, den der internationale Handel für die beteiligten Länder hat, sind die Überschüsse oder Defizite im Handel viel wichtiger als potenzielle „Produktivitätseffekte“. In Wirklichkeit gibt es, sobald nennenswerte und dauerhafte Außenhandelssalden auftreten, für die Handelspartner überhaupt keinen Anreiz, mit einem Land Handelsabkommen abzuschließen, das seine Überschüsse verteidigt.

Weder gewaltige Wechselkursänderungen noch Direktinvestitionen noch Lohndumping sind Gegenstand der Freihandelsideologie. Das heißt, Handelspolitiker treffen ihre Urteile aufgrund einer Doktrin, die mit der realen Welt nichts zu tun hat. Heute mit der Handelspolitik die Handelsströme steuern zu wollen, ist so, als ob man mit Uhrmacherwerkzeug ein Auto reparieren will. Was die globalisierte Wirtschaft viel dringender braucht als eine doktrinäre Auseinandersetzung über Handelspolitik, ist ein Währungssystem, das verhindert, dass sich einzelne Länder über Lohndumping oder ähnliche Maßnahmen über lange Zeit ungerechtfertigte absolute Vorteile verschaffen.

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26 Kommentare

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  • ;)) Danke. Wieder ne runde Sache.

    Für alle früheren Beispiele - eins

    Der aktuelleren - neben der

    Grexit-Kiste - NAFTA - !

    Da verlieren selbst ausgewachsene

    US-Diplomaten&TTIPler - klar - jaha -

    Ihre steife Oberlippe!

    Dennoch tippe ich - Mit dem

    Abgang des Friedensfürsten

    Der Dunkelheit - is TTIP - passé!

    Dennoch&bis dahin - mit allen Kräften -

    Volldampf dagegen!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Erstmal der "Wohlstand der Nationen" den Sie wörtlich Ansprechen aber nicht als Buch ausweisen ist nicht von Ricardo sondern von Adam Smith und es geht darin um sehr viel mehr als nur um Freihandel.

     

    Sie unterstellen einfach das alle liberalen Ökonomen auch heute noch so denken wie vor 200 Jahren. Diese Position lässt sich wohl kaum halten und damit ist ihr ganzer Artikel auch schon hinfällig.

     

    Freie Marktwirtschaft ist keine Ideolgie, genauso wie Atheismus keine Religion ist. Heutzutage kann Freie Marktwirtschaft als Ideologie vertreten werden, muss es aber nicht. Alle alternativen Modelle sind aber zwangsläufig Ideologien, da sie auf der Idee basieren das massive Regulierung zu einem besseren Resultat führt.

     

    Schutz vor bestimmten Produkten ist sinnvoll und den gibt es auch, es ist ja nicht so das unsere Politiker puristische Ökonomen sind. Aktuellstes Beispiel ist Stahl aus China. Die Chinesen verkaufen ihren Stahl unter Herstellungspreis um der Konkurenz das Leben schwer zu machen. Deshalb haben die USA und die EU Chinesischen Stahl mit Straftzöllen belegt um die lokalen Arbeitsplätze in diesem Bereich zu sichern.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Was ihnen nichts nützen wird, weil China genug eigene Waffen für einen Handelskrieg hat. Die müssen einfach nur westliche Währungen in Massen auf den Markt werfen, um britischen und amerikanischen Unternehmen das Leben beliebig schwer zu machen, und können damit direkt Elend und Arbeitslosigkeit auf jenen Märkten steuern.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      Ich glaube nicht, dass dem Heiner Flassbeck nicht bekannt ist von wem "Wohlstand der Nationen" (Buch) stammt.

       

      Im Grunde genommen ist der Bezug auf Ricardo auch heute noch richtig. Freier Handel als Chance für alle, weil jeder eine Nische finden kann, wo er mit seinen (meinetwegen komparativen) Vorteilen auf dem weltweiten Markt bestehen kann. Man muss sich nur die Diskussion über Griechenland anschauen: Produktivität, Löhne, Export - darum drehte sich alles in den Aussagen der vorwiegend deutschen Ökonomen.

       

      Freie Marktwirtschaft ist keine Ideologie, aber sie einschränkende Alternativen schon?

      Das ist (auch kognitiv und logisch gesehen) Unsinn.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Stimmt, und auch Atheismus ist rein systematisch eine Religion, teilweise mit genauso nervigen Missionaren wie die Zeugen Jehovas.

  • Gut argumentiert, nur dem gewählten Beispiel im vorletzten Absatz würde ich widersprechen.

     

    Deutschland exportiert ja keineswegs mehr als es importiert. Den etwa 14 Millionen Deutschen die (statistisch) für den Export arbeiten stehen ja über 100 Millionen Menschen weltweit gegenüber, die den deutschen Import produzieren.

     

    Deutschland bekommt aufgrund von manipulierten Wechselkursen und Lohnkosten nur viel mehr für seine Exporte als es für die Importe zahlen muß.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @ShieTar:

      Was Sie schreiben macht keinen Sinn. 1. Es kommt immer nur auf den Wert der exportierten / importierten Waren an.

      2. Wechselkurse werden manipuliert, um mehr zu exportieren => Abwertung. Wenn die eigene Währung abgewertet wird, so steigt der Preis / Wert für die importierten Waren (in der heimischen Währung). Also muss mehr für die importierten Waren bezahlt werden, was exakt das Gegenteil von dem ist, was Sie behaupten.

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Würden wir unsere Währung schwachhalten, hätten Sie Recht, es ist aber andersherum.

         

        Der normale Wert einer Arbeitsleistung ist die dafür aufzuwendende Zeit. Auf Grund der wirtschaftlichen Ungleichgewichte können wir aber die Afrikaner für 10 Cent die Stunde unseren Tee pflücken lassen.

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @Bodo Eggert:

          Was ich als Kommentar verfasst habe, bezog sich erstmal nicht auf Deutschland. Allgemein macht die Aussage von Shietar keinen Sinn: Wenn man die eigene Währung abwertet (manipuliert, um mehr zu exportieren), dann steigt ja gerade der Wert / Preis der importierten Güter.

          Auf Deutschland bezogen: Deutschland hat (insbesondere vor der Eurokrise) massiv gegen die anderen Eurostaaten (welche die Hauptabnehmer von deutschen Waren sind) abgewertet - dank niedrigerer Inflation als in den übrigen Eurostaaten. Gegenüber dem Rest der Welt gilt: Deutschland hat mit dem Euro per se schon eine zu schwache Währung.

          Zu Ihrem letzten Absatz: Bevor ich zu Ihrem letzten Absatz Stellung nehmen kann, müssen Sie mir erläutern, was Sie genau meinen: 1. Arbeitsleistung ist normalerweise die Produktivität. Sprich: Produzierte Waren / Dienstleistungen pro Stunde/Tag/... - dafür kann keine Zeit aufgewendet werden. 2. Meinen Sie, dass auf Grund der unterschiedlichen Wirtschaftskraft, unterschiedliche Lohnniveaus vorherrschen und deshalb nur 10 Cent die Stunde bezahlt werden? Dann müssen Sie aber bedenken, dass das relative Lohnniveau und nicht das absolute Lohnniveau relevant ist.

          • @73176 (Profil gelöscht):

            Mit Leistung meine ich die geleistete Arbeit. "Erstelltes Werk" wäre vielleicht der bessere Begriff.

             

            Relevant ist das absolute Lohnniveau im Handel, da wir uns mit einer deutschen Arbeitsstunde 100 afrikanische Arbeitsstunden leisten können und umgekehrt - und das ist nicht mal der Extremfall. Oder kurz gesagt: Der Euro ist effektiv demgegenüber um den Faktor 100 zu teuer, das Kilo Tee um nur wenige Euro zu billig.

            • 7G
              73176 (Profil gelöscht)
              @Bodo Eggert:

              Es geht hier um den"fairen Wert" einer Währung: Dieser wird über das Purchasing Power Parity berechnet. Dabei werden die ortsüblichen Preise ins Verhältnis gesetzt. Preise werden u.a. durch Löhne bestimmt. Das Preisverhältnis zwischen zwei Staaten wird somit durch den relativen Lohn bestimmt (Der reale Wechselkurs = 1). Der Lohn fließt lediglich indirekt in die Bestimmung des "fairen" Wechselkurses ein. Ich kenne kein Paper, welches Ihren Ansatz nutzt, um einen fairen Wechselkurs zu bestimmen - nenne Sie mir bitte einige.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Heiner Flassbeck auf taz(o)! :)

     

    Ich kann mich noch einigermaßen an das Grundstudium der VWL an der Uni Köln erinnern. Die Theorie wird einem zwar als Theorie verkauft, ohne allerdings (was wünschenswert wäre) auf deren Einschränkungen und Bezug zu der realen Wirtschaft einzugehen.

     

    Bei freiem Handel kümmert die beteiligten Entscheider und Lobbyisten die Theorie oder deren Unzulänglichkeiten m.E. wenig. Dem Publikum wird eher die Analogie mit einem Gemischtwarenladen vermittelt, der jetzt in die Nachbarstadt seine Waren liefern kann und vice versa. Gut für alle: jeder hat was anderes zu verkaufen - Warenangebot wird größer und man kann mehr verkaufen, man stellt einen Fahrer ein etc. Die Leute stören sich mehr (obwohl sicherlich zurecht) an den evtl. Sonderrechten für die Unternehmen, als an den Folgen evtl. volkswirtschaftlicher Verwerfungen (siehe NAFTA).

  • Weil sie genauso gierig und korrupt sind wie die Leute die sie korrumieren? Weil die Ausbildung von diesen elitären Aka demikern von KOnzernen finanziert wird. Diese Ausbildung ist dann natürlich interessengebunden. Deutschland bildet nicht mehr aus, Deutschland kauft ein.

    Denken bildet, lesen soll zum nachdenken und überdenken anregen.

    Das ist in Deutschland schon fast ein Tabu.

  • Der Artikel liest sich gut. Aber wenn die Theorie so falsch ist, warum sind da laut Artikel alle Oekonomen dafür? Sind die alle zu dumm, oder gibt es noch eine andere Erklärung?

    • @fly:

      Man sieht die Wirklichkeit immer mit den Augen der Theorie, d.h. es gibt in der Wissenschaft keine Wirklichkeit, die der Theorie vorangeht und die sich sozusagen vorurteilsfrei befragen lässt. Es gibt keine gemeinsame Grundlage, weshalb der Austausch über die Grenzen der jeweiligen Theorie hinweg so schwierig ist.

       

      Es gibt wenige Möglichkeiten, die Gegenseite zu überzeugen: Man kann sie auf Widersprüche hinweisen, die sich durch ihre eigene Theorie ergeben und die sich im Verhältnis zu der Wirklichkeit zeigen, die durch ihre Theorie konstituiert ist. Man kann auch zeigen, dass ihre Theorie "blinde Flecken" hat, die durch Ad-hoc-Annahmen beseitigt werden müssen, dass aber eine andere Theorie hier den größeren Erklärungswert besitzt, indem sie nicht auf solche Annahmen angewiesen ist.

       

      Das größte Problem der VWL ist aber, dass sie keine Experimente durchführen kann. In der Physik können hundert Physiker unter denselben Bedingungen dieselben Ereignisklassen untersuchen. Da ist es einigermaßen leicht, einen Konsens über Unzulänglichkeiten von Theorien zu bilden. Man kann sich jederzeit auf den Standpunkt zurückziehen, dass z.B. Irland eine Ausnahme ist - oder aber die Regel.

       

      Zuletzt gelingt es kaum einem Vertreter der VWL, seine Rolle als Wissenschaftler von seiner Rolle als Politiker zu trennen. Sie glauben, aus ihren Theorien gute Handlungsanweisungen ableiten zu können; aber sie vergessen, dass keineswegs Konsens darüber besteht, was gute Handlungsziele sind.

       

      Dadurch entsteht eine sekundäre Ebene, auf der sich eine Theorie der VWL nicht mehr im Geflecht von empirischen Aussagen rechtfertigen muss, sondern dadurch eine gute Theorie ist, dass sie sich als Bezugspunkt für Werturteile bewährt.

       

      Ungefähr aus diesen Gründen sieht es so schlecht um die VWL.

    • @fly:

      Weil der Freihandel große Vorteile für einen der Partner haben kann. Die Freihandelsgesetze zwischen Europa und Afrika haben verstärkt dazu geführt das in Afrika günstig produziert und in Europa konsumiert wurde, das gleiche gilt für die Verträge zwischen den USA und den karibischen und Lateinamerikanischen Ländern.

       

      Zudem ist eines der erwähnten Probleme nur für die Mehrheit ein Problem. Die Senkung von Lohnstückkosten bei der Verlagerung der Produktion führt ja dazu das Firmen weniger Löhne und mehr Gewinne auszahlen, es gibt also Menschen die sehr direkt von der schlechten Idee profitieren, und sie daher gerne als gute Idee verteidigen.

    • @fly:

      Nehmen wir ein Land, das gut Schuhe und gut Tuch herstellt, bei dem vom anderen Land also Schlden angehäuft werden, bis dort die Arbeiter für 10 ct die Stunde Tee pflücken müssen.

       

      Sagt ein Ökonom aus diesem Land, daß man auf diese Lohnsklaven verzichten soll, wird er ganz schnell zum Taxifahrer. Den Rest der Ökonomen dieses Landes hingegen befragen wir.

  • "Kaum ein Thema bringt mehr Menschen auf die Straße als TTIP" ja in der Tat im letzten Jahr waren 250.000 Menschen in Berling auf einer Protestdemo, aber gejuckt hat es die Medien nicht. Mal ehrlich, warum wird sowas nicht publik gemacht und ich verwette meinen Allerwertesten, dass mehr als 90% der Bürger gar nicht wissen, was dieser Freihandel überhaupt bedeutet. Ich bin 100% dagegen.

  • ViewReview

     

    Sogenannter Freihandel brachte schon vor Jahrhunderten den momentan wirtschaftlich Stärkeren größere Vorteile als den wirtschaftlich Schwächeren ein. Verträge dazu dienten demselben Prinzip. Sonst brauchte man auch keine dicken Bücher als Verträge. In neuerer Zeit hat Südkorea hat seinen wirtschaftlichen Erfolg weder ausländischen Direktinvestitionen noch Freihandel zu verdanken. Japan hatte sich während seiner Aufholjagd abgeschottet. Im GATT stand noch der Satz bezüglich Ausnahmen: Sonderzölle möglich, falls eine bedeutende Verzögerung der Errichtung einer heimischen Industrie verursacht oder zu verursachen droht. Das ist zu erweitern, falls nachhaltiges Wirtschaften eingeschränkt wird, falls Bevölkerungsgruppen aufgrund Existenzgefährdungen, falls, falls... So ist das mit den "reinen" Ideologien. Die einfache Frage ist, wem nützt es, und wem am meisten.

  • Bei TTIP geht es zuerst darum, die westliche Welt mit ihren höheren Standards gegen den Rest zu stärken, zB China. Volkswirtschaftliche Theorie ist uninteressant. Interessant ist die Realität. Bei TTIP geht es um eine Angleichung der Standards und Regeln. In den USA gelten striktere Finanzmarktregeln als in Europa. Produktnormen wuerden bei TTIP angeglichen, zB in der Chemie-, Metall-, und Pharmaindustrie. Damit sparen Exporteure Geld. REALITÄT ist, dass die EU weit mehr in die USA exportiert als die USA in die EU, - damit profitiert die EU tendenziell auch mehr von TTIP. Deshalb ist Donald Trump gegen TTIP, damit mehr in den USA produziert wird. AfD ist auch gegen TTIP, da sie die europäischen Unternehmen als zu schwach ansieht im Vergleich zu den amerikanischen Unternehmen. Dagegen sind die USA für Deutschland nach den Mitgliedstaaten der EU der wichtigste Abnehmer und drittwichtigster Lieferant (nach den Mitgliedstaaten der EU und China). Es herrscht ein Handelsdefizit zwschen den USA und der EU (369.549 Mill. € Exporte in de USA ) zu ungunsten der USA (246.211 Mill. € Exporte in die EU, Jahr 2015). Das ist die Realität. Und der größte Exporteur ist Deutschland. Die Beseitigung der nicht tarifären Handelsbarrieren durch TTIP würde wahrscheinlich zu 0.1 - 0,3% mehr Wachstum führen. Verbraucherpreise würden sinken.

    • @Gabriel Renoir:

      Kleine Frage am Rande: Bei wem und wo würde denn das Wachstum entstehen und die Verbraucherpreise sinken? Denn nach meinem praktischen Verständnis muss ich immer auf der einen Seite was wegnehmen, wenn auf der anderen Seite mehr erscheinen soll. Wo kommt also das Wachstum her?

      • @Artur Möff:

        Ganz einfach: Das Wachstum kommt von neuen Aktivitäten. Wenn Sie im Bärenfell in der Steinzeithöhle an Knochen nagen, haben Sie ein niedriges Bruttosozialprodukt. Wenn Sie dagegen ein supereffizientes Windrad erfinden, das den Strom billiger macht, dadurch Elektroautos erst wirklich interessant werden für viele (beim aktuellen kWh-Preis wenig interessant), und Sie ihren Mehrverdienst zur Ergründung ihrer seelischen Gesundheit beim Psychotherapeuten verbraten, - dann generieren Sie Wachstum.

        • @Gabriel Renoir:

          Es geht hier um die Frage, wieso ein Abkommen wie CETA oder TTIP plötzlich ein Wachstum produzieren soll, das auch Arbeitsplätze nach sich zieht. Und sinkende Verbraucherpreise gehen ja nun mal auch nicht unbedingt mit steigenden Löhnen einher. Wenn die Leute weniger verdienen, können sie aber auch nicht mehr so viel kaufen. Wenn Produkte und Arbeitsplätze von Deutschland nach USA oder Canada gehen und umgekehrt, wer hat denn da einen Gewinn?

  • dank an Heiner Flassberck und der taz, ein sehr guter Artikel...,

    • @tomas:

      Der Artikel ist überwiegend theoretisch. Die eine Theorie der Volkswirtschaftslehre (es gibt viele Theorien) ist jedoch nur interessant, wenn sie der Realität entspricht. Der USA wurde schon oft der wirtschaftliche Zusammenbruch vorhergesagt aufgrund des Handelsbilanzdefizits. Nicht ist passiert, da die Schuldtitel im Ausland akzeptiert werden. Solang meine Bank meine Sicherheiten akzeptiert, habe ich keine Probleme. Das US-Handelsbilanzdefizit erklaert sich aus dem relativ konstanten Wirtschaftswachtum der USA und von mehr Konsum statt Sparen, dann weil viele Laender wie China sehr billig produzieren und exportieren und auch weil die Amerikaner in gewissem Masse auslaendischen Produkte bevorzugen, zB werden viele Autos importiert. Das ist deren Entscheidung. Die US-amerikansische Wirtschaft ist dynamisch und innovativ (Nobelpreise) mit vielen Spitzenunternehmen (Apple, Medikamente, Boeing, Facebook ..).

      • @Gabriel Renoir:

        Ach, und es gab nicht gerade vor ein paar Jahren eine Finanzkrise, verursacht durch faule Schuldtitel aus USA?

         

        Was Sie unter "Realität" verstehen ist schon ein bisschen befremdlich.