TTIP bekommt weiteren Gegenwind: 100.000 Einwände gegen TTIP
Beiträge von Gegnern des Freihandelsabkommens blockieren das IT-System der EU-Kommission. Und die Öllobby will weniger Klimaschutz.
BERLIN taz | Gegner des umstrittenen transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP haben die EU-Kommission mit kritischen Stellungnahmen überhäuft und ein Computersystem der Behörde lahmgelegt. „Wir haben fast 100.000 Beiträge bekommen, viele davon identisch“, sagt EU-Handelskommissar Karel de Gucht der Wirtschaftswoche.
„Das war eine regelrechte Attacke.“ De Gucht hatte im März eine öffentliche Online-Konsultation zu einem Teil des Abkommens zwischen den USA und der EU begonnen, um den Gegnern des Abkommens den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei ging es um den Investitionsschutz.
Durch ihn sollen ausländische Investoren gegen Maßnahmen eines fremden Staates geschützt werden, zum Beispiel, wenn diese die Gewinne beeinträchtigen. Die Klage wird dann nicht bei staatlichen, sondern bei unabhängigen Schiedsgerichten eingereicht – diese parallelen Rechtssysteme sind in der Kritik. „Dass die EU-Kommission so viele kritische Beiträge bekommen hat, zeigt, dass die Menschen unruhiger werden und über die größte Bedrohung für die Demokratie im TTIP Bescheid wissen“, sagte Pascoe Sabido von der lobbykritischen Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) zur taz.
Der Investitionsschutz im TTIP stelle den „Handel über die Rechte der Bürger“, die Konzerne würden so der der Kontrolle von Regierungen und Öffentlichkeit entzogen, sagte Sabido. Die EU-Kommission hält dagegen, dass Investitionsschutz heute schon in vielen Handelsabkommen verankert ist und auf Völkerrecht basiert.
Einfuhr von Teersand-Öl erschweren
Wie TTIP den Interessen der Industrie dient, wollen Umweltorganisationen wie Friends of the Earth und Greenpeace mit einer neuen Studie untermauern. Sie zeigt, wie die Ölindustrie TTIP und ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nutzt, um die Klimaschutzrichtlinien der EU auszuhebeln. Klimastandards werden von der Ölindustrie dabei als Handelshemmnisse bezeichnet, da sie die Einfuhr von Teersand-Öl aus Kanada erschweren würden.
„Teersand-Öl steht in einem eklatanten Widerspruch zur europäischen Klimaschutzrichtlinie, da bei der Gewinnung des Öls die Umweltbilanz katastrophal ist“, sagt Jürgen Knirsch von Greenpeace Deutschland. Der Kohlendioxidausstoß ist hierbei nämlich deutlich höher als bei anderen Ölfördermethoden. Aktuell sieht eine EU-Richtlinie eine Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes durch Kraftstoffe um 6 Prozent vor. Genau diese soll unterlaufen werden.
„Diese Angriffe auf die europäischen Klimaschutzziele zeigen, wie die großen Unternehmen den Umwelt- und Gesundheitsschutz aushöhlen wollen“, sagt Knirsch. „Ein Abkommen, das nur den Profit von einer Handvoll Unternehmen steigert, macht keinen Sinn.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich