TTIP-Leak von Lobby Control: Erst Lobbyisten, dann das Parlament?
Die Kritik an TTIP führt zu neuen Formulierungen im Freihandelsabkommen. Eine davon heißt „Gelegenheit zur Kooperation“.
„US-Behörden werden danach die Chance haben, auf europäische Gesetze Einfluss zu nehmen, noch bevor die Europaabgeordneten diese überhaupt zu Gesicht bekommen“, kritisiert die grüne Europaparlamentarierin Ska Keller. Damit würden die „Grundprinzipien der Demokratie umgangen“, Lobbyisten könnten Vorzug vor gewählten Vertretern erhalten.
Die Kritik konzentriert sich auf eine Fußnote in dem geleakten Entwurf. Dort heißt es, dass die USA „Gelegenheit zur Kooperation“ bekommen sollen, noch bevor die EU-Kommission einen offiziellen Gesetzesvorschlag macht. Begründet wird dies mit „größerer Verlässlichkeit“. Konkret heißt es, Brüssel solle neue Gesetzesvorhaben „so früh wie möglich“ zur Begutachtung nach Washington schicken.
Wie viele andere Informationen rund um TTIP findet sich auch dieses Dokument bisher nicht auf der Website der EU-Kommission. Dabei hatte EU-Unterhändler Ignacio Bercero nach der 12. Verhandlungsrunde im Februar versprochen, die Vorschläge zur sogenannten regulatorischen Zusammenarbeit schnell zu veröffentlichen.
Artikel 14 gestrichen
„Alles, was wir tun, wird völlig transparent sein“, versprach Bercero. Das Schutzniveau für die Bürger werde nicht gesenkt, die EU-Gesetzgebung nicht eingeschränkt, erklärt man in Brüssel weiterhin. Doch genau daran haben die Kritiker von Lobby Control große Zweifel.
Zwar tauche der bisher geplante Rat für regulatorische Zusammenarbeit, der die Gesetzgebung zwischen USA und EU harmonisieren sollte, in der neuen EU-Verhandlungsposition nicht mehr direkt auf, notieren die Transparenzexperten. Der entsprechende Artikel 14 sei gestrichen worden: „Hier reagiert die EU-Kommission offensichtlich auf die zunehmende öffentliche Kritik.“
Ska Keller, MdEP
Doch die mit dem transatlantischen Rat geplanten Ziele würden weiter verfolgt, kritisiert Lobby Control. Das scheinbare Zugeständnis an die Kritiker sei daher eine „Mogelpackung“.
Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bevor TTIP in Kraft tritt, muss das Europaparlament zustimmen. Zuletzt hatte jedoch sogar Bernd Lange, Chef des zuständigen Handelsausschusses, mit einem Abbruch der Verhandlungen gedroht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee