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TTIP-Abkommen zwischen EU und USAStreit über regulatorisches Duett

Spiel über Bande mit dem „Regulierungsrat“: Das Freihandelsabkommen sichert Lobbyisten noch mehr Einfluss, stellt eine neue Studie fest.

Ein auf und ab ist das mit diesen TTIP-Verhandlungen Foto: dpa

Brüssel taz | Der Streit über das geplante TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA geht in eine neue Runde. Nach den Chlorhühnchen und den Sondergerichten für Investoren sorgt die geplante Zusammenarbeit bei Umweltgesetzen und technischen Normen für Ärger. Und wieder sieht die EU-Kommission ziemlich alt aus.

Die Brüsseler Behörde betont nämlich bei jeder Gelegenheit, die USA bekämen kein Vetorecht bei neuen Regulierungen. Doch genau darauf laufe der geplante „Regulierungsrat“ hinaus, kritisieren die TTIP-Experten von Lobby Control und Corporate Europa Observatory (CEO) in einer neuen Studie. Das „regulatorische Duett“ zwischen Brüssel und Washington öffne Tür und Tor für Lobbyisten und könne dem Gemeinwohl schaden.

Dass das keine Panikmache ist, belegen die TTIP-Kritiker mit Beispielen aus der Vergangenheit. Die Europäische Union und die USA arbeiten schon seit 1995 bei der Vorbereitung neuer Gesetze zusammen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Transatlantische Wirtschaftsdialog (TABD), bei dem europäische und amerikanische Konzerne den Ton angeben.

„Schon in der Vergangenheit gelang es der Großindustrie im Rahmen des transatlantischen Wirtschaftsdialogs, ihre Interessen auf Kosten des Gemeinwohls durchzusetzen“, sagt Max Bank von LobbyControl. Lobbyisten sei es mehrfach gelungen, bestehende oder geplante Standards aufzuweichen – mit zum Teil fatalen Folgen.

Safe-Harbour als Negativbeispiel

Das drastischste Beispiel ist der Zusammenbruch des US-Versicherungskonzerns AIG im Jahr 2008. Weder die EU-Behörden noch die Amerikaner hätten gewusst, welche Vermögenswerte sich in der AIG-Bilanz versteckten, so die TTIP-Kritiker. Schuld daran sei ein Übereinkommen aus dem Jahr 2004, das es großen amerikanischen Finanzinstituten erlaubte, in der EU tätig zu werden.

Auch das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen, das US-Konzernen wie Google und Amazon ihre Geschäfte in Europa ermöglicht, sei ein Ergebnis der „regulatorischen Zusammenarbeit“. Im Herbst 2015 war das Abkommen vom höchsten EU-Gericht kassiert worden, weil es den Datenschutz nicht hinreichend absichere.

All das zeige, dass der in TTIP geplante „Regulierungsrat“ eine große Gefahr darstelle, warnt Kenneth Haar von CEO. Denn damit erhielten Lobbyisten noch mehr Möglichkeiten, Umwelt- und Sozialgesetze aufzuweichen oder zu verhindern.

Demgegenüber behauptet die EU-Kommission, es gehe nur um „technische Annäherung, um Produkte und Dienstleistungen besser vermarkten zu können“. Die Absenkung von EU-Standards sei nicht geplant.

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5 Kommentare

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  • Guten Morgen - Herr Bonse!

     

    Klimawandel con Freihandel!

    kurz - Winterschlaf schon beendet¿!

    So&Früh ->

    Schonn - schön!

     

    "…Die Brüsseler Behörde betont nämlich bei jeder Gelegenheit, die USA bekämen kein Vetorecht bei neuen Regulierungen. Doch genau darauf laufe der geplante „Regulierungsrat“ hinaus, kritisieren die TTIP-Experten von Lobby Control und Corporate Europa Observatory (CEO) in einer neuen Studie. Das „regulatorische Duett“ zwischen Brüssel und Washington öffne Tür und Tor für Lobbyisten und könne dem Gemeinwohl schaden.…"

     

    Das - der Herr - pfeifen dank leaks -

    Die rückenfliegenden Spatzen ->

    Aber sowas von elendlange ~>

    Von allen Dächern der Städte der EU!

    kurz - Zu nah dran ~>

    Ist manchmal auch ->

    Voll&Ganz -

    Daneben!

     

    Welcome im club - Eric Bonse ;))

    Klar - " Hier darf jeder … ~>

    Im Rahmen der FdGO -

    Versteht sich!"

  • Man fragt sich (u.a. ...) , ist die EU-Kommission aus Eigenem zu inkompetent , um es in den Verhandlungen mit d e r M a c h t aufnehmen zu können , oder unterliegt sie schlicht der Öffentlichkeit verborgenen Weisungen von außen ? Z.B. der deutschen Wirtschaft mit ihrer "Speerspitze" Merkel/Gabriel ?

    • @APOKALYPTIKER:

      Nein, das ist leider alles viel erschütternder und man kann Ihnen oder auch der TAZ nur die Empfehlung geben sich mit beispielhaften Gesetzgebungsverfahren Ihrer freien Wahl auseinanderzusetzen. Was meine ich?

       

      Suchen Sie sich ein Thema aus, von dem Sie wirklich was verstehen, schätzen Sie den Novellierungsbedarf in der Gesetzgebung ein und starten Sie eine Initiative mit geneigten Betroffenen.

      Sie werden sehr rasch erkennen, dass in unserem Land die fachliche Kompetenz keinesfalls in den Ministerien oder der Politik besteht.

       

      In den Ministerien arbeiten mittlerweile ausschließlich Juristen und Verwaltungsfachleute die sich mit der "richtigen" Formulierung auskennen und beschäftigen.

       

      Die fachliche Kompetenz kommt stets von außen, von Verbänden und Lobbyvereinigungen; allenfalls noch von Bundesstiftungen oder Bundesämtern.

      Zu verstehen, dass unser gesetzgebender Staat keinerlei fachliches Wissen (mehr) hat und keine eigenen Fachspezialisten ist evident um die Zusammenhänge zu erkennen.

       

      Das ist nicht zwangsläufig negativ, jedoch muss ein Ausgewogenheit der Kräfte erreicht werden.

      • @Tom Farmer:

        Joouh , Tom , ... die USA warten verzweifelt darauf , dass endlich die "fachliche Kompetenz" in Europa und in der übrigen Welt ankommt : i h r e !

        Nein danke , das Wohlergehen , Wohlstand und Fortschritt in der Welt hängen nicht von einer weiteren Optimierung und Vermehrung des Warenaustauschs in beiden Richtungen über den Atlantik ab , eher im Gegenteil . Es ist m.E. auch eine Illusion , wenn die USA glauben , sie würden durch TTIP deutlich spürbar ihr dauerhaftes , immer noch gigantisches Außenhandelsdefizit verringern können . Stichworte : dauerhafter tendenzieller Rückgang der Gesamtkaufkraft , technologisch rationalisierungsbedingter weiterer Abbau von Arbeitsplätzen , Marktsättigung , keine neuartigen , marktgängigen Produkte in Sicht , deren Produktion den Einsatz großer Mengen von Kapital und Arbeitskraft erforderte .

        Wie kommen Sie im übrigen zu dem Eindruck , in Brüssel , Berlin et al seien bisher mit viel zu wenigen Wirtschaftslobbyisten viel zu wenige Gesetze gemacht worden ? Abwegig !

  • Man soll das Abkommen endlich zum Fenster rauswerfen. Und gut is.

    Hans-Ulrich Grefe