THW Kiel verliert im Spitzenduell: Der Meister rennt hinterher
Gegen die Füchse Berlin hatte der THW Kiel keine Chance. Ohne Torwart Landin bangt der Verein nach diesem Spiel sogar um die Vize-Meisterschaft.
Der SC Magdeburg landete im letzten Jahr noch fünfzehn Punkte hinter den Nordclubs, greift nun aber auch in der Bundesliga nach den Sternen, nachdem er 2021 neben der Europa League auch die Klubweltmeisterschaft gewonnen hatte.
„Gegen Berlin haben wir ein echtes Topspiel, das wir unbedingt gewinnen wollen, um etwas Abstand zwischen uns und die Berliner zu bringen“, brachte Kiels Hendrik Pekeler die Ausgangslage auf den Punkt. Außerdem ging es darum, mit Platz zwei den Startplatz für die Champions League in der kommenden Spielzeit zu sichern.
Die Partie begann mit einer Schweigeminute der zum großen Teil mit gelb-blauen Klatschpappen ausgestatteten 6.000 Zuschauer: innen für die Opfer des Krieges in der Ukraine. Als das Spiel lief, blieb es zunächst auch ungewohnt ruhig auf den Rängen, da die Füchse sich mit einem Blitzstart eine Vier-Tore-Führung erspielten, die sie bis zur Halbzeit nicht abgaben.
Kritik an Torwart Nummer 2
Neunzehn Gegentore in einer Hälfte, davon allein neun vom ehemaligen HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg, haben absoluten Seltenheitswert in der erfolgsverwöhnten Ostsee-Halle. Das Fehlen des Welt-Torhüters Niklas Landin nach einer Blinddarm-OP machte sich schmerzhaft bemerkbar.
„Wir hatten in der ersten Hälfte keine Torhüter-Leistung“, sagte THW-Trainer Filip Jicha nach dem Spiel und kritisierte damit seinen zweiten Keeper Dario Quenstedt. Der wechselt in der kommenden Saison zur TSV Hannover-Burgdorf.
Dazu kam, dass Kiels norwegischer Spielmacher Sander Sagosen früh mit einer Schulterverletzung raus musste. Die bereitete dem Verein auch nach Spielschluss noch Sorgen. Bis Redaktionsschluss war unklar, wie schwer die Verletzung ist.
Schmerzhaft war auch für Füchse-Torwart Dejan Milosavljev ein Gesichtstreffer des THW-Kapitäns Domagoj Duvnjak kurz vor der Pause. Wie der Keeper sich aber mit dem ganzen Körper dem folgenden Siebenmeter von Niclas Ekberg entgegenstellte und diesen entschärfte, zeigte die Entschlossenheit, mit der die Berliner die schwerfälligen Kieler bis dato dominierten.
Im Handball genügen aber manchmal vier Minuten, um einen Vier-Tore-Rückstand aufzuholen und die Halle zum Kochen zu bringen. Das gelang den Kielern nach der Pause und schien sie endlich in den Lauf zu bringen, der vorher ungewohnt stockte. Dazu brachte Torwart Quenstedt jetzt endlich die Hand an einige Bälle.
„Es steht Null zu Null“, besänftigte Füchse-Trainer Jaron Sievers die Gemüter seiner plötzlich verunsicherten Spieler. Auch die stehen unter Druck, die Champions League zu erreichen, da der Club für die kommende Saison mit dem Dänen Mathias Gidsel und dem Schweden Max Darj schon zwei Spieler verpflichtet hat, die es ins internationale Rampenlicht zieht.
Trainer hat die Meisterschaft abgeschrieben
Tatsächlich stand die Füchse-Abwehr in der Folge wieder stabiler und zwang die Kieler Rückraumspieler zu überhasteten Würfen, die Milosavljev reihenweise abwehrte. Der THW kam nie über einen Gleichstand hinaus und fünf Sekunden vor Ende überreichte Duvnjak dem Schiedsrichter freiwillig den Ball, da der Rückstand wieder auf vier Tore angewachsen war.
„Es wäre eine Frechheit von uns, noch von der Meisterschaft zu sprechen“, sagte ein frustrierter Filip Jicha angesichts von acht Minuspunkten mehr als der SC Magdeburg – wo die Zebras nach der nun folgenden Länderspielpause in vierzehn Tagen antreten müssen. Nach Minuspunkten liegen sie jetzt auch hinter den Berlinern, die das erste Mal überhaupt in Kiel gewinnen konnten. Umso wichtiger ist es, dass sie sowohl in der laufenden Champions League als auch im Pokal noch in einer guten Ausgangsposition sind.
In der Liga muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass der Meister das erste Mal seit fünf Jahren nicht aus dem Norden kommt. Die SG Flensburg ist theoretisch ebenfalls noch im Rennen um Platz zwei der Bundesliga und der Qualifikation zum Viertelfinale der Champions-League dabei. Gegen Balingen gewannen sie am Sonntag immerhin souverän mit 35:21.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!