THW Kiel verliert im Spitzenduell: Der Meister rennt hinterher

Gegen die Füchse Berlin hatte der THW Kiel keine Chance. Ohne Torwart Landin bangt der Verein nach diesem Spiel sogar um die Vize-Meisterschaft.

Domagoj Duvnjak vom THW Kiel blockt Jacob Holm von den Füchsen Berlin

Stand in der Abwehr nicht gut genug: THW-Kapitän Domagoj Duvnjak gegen den Berliner Jacob Holm Foto: Frank Molter/dpa

BREMEN taz | Eine Saison hat genügt, die Kräfteverhältnisse in der Handball-Bundesliga gründlich durcheinanderzuwirbeln: Im letzten Sommer entschied der THW Kiel die Meisterschaft im Fernduell mit der SG Flensburg-Handewitt in den letzten Sekunden der gesamten Saison für sich. Aktuell sind die Flensburger weit weg von der Spitze und beim THW ging es im gestrigen Heimspiel gegen die Berliner Füchse von vornherein nur um die Verfolgerrolle hinter den souverän führenden Magdeburgern.

Der SC Magdeburg landete im letzten Jahr noch fünfzehn Punkte hinter den Nordclubs, greift nun aber auch in der Bundesliga nach den Sternen, nachdem er 2021 neben der Europa League auch die Klubweltmeisterschaft gewonnen hatte.

„Gegen Berlin haben wir ein echtes Topspiel, das wir unbedingt gewinnen wollen, um etwas Abstand zwischen uns und die Berliner zu bringen“, brachte Kiels Hendrik Pekeler die Ausgangslage auf den Punkt. Außerdem ging es darum, mit Platz zwei den Startplatz für die Champions League in der kommenden Spielzeit zu sichern.

Die Partie begann mit einer Schweigeminute der zum großen Teil mit gelb-blauen Klatschpappen ausgestatteten 6.000 Zuschauer: innen für die Opfer des Krieges in der Ukraine. Als das Spiel lief, blieb es zunächst auch ungewohnt ruhig auf den Rängen, da die Füchse sich mit einem Blitzstart eine Vier-Tore-Führung erspielten, die sie bis zur Halbzeit nicht abgaben.

Kritik an Torwart Nummer 2

Neunzehn Gegentore in einer Hälfte, davon allein neun vom ehemaligen HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg, haben absoluten Seltenheitswert in der erfolgsverwöhnten Ostsee-Halle. Das Fehlen des Welt-Torhüters Niklas Landin nach einer Blinddarm-OP machte sich schmerzhaft bemerkbar.

„Wir hatten in der ersten Hälfte keine Torhüter-Leistung“, sagte THW-Trainer Filip Jicha nach dem Spiel und kritisierte damit seinen zweiten Keeper Dario Quenstedt. Der wechselt in der kommenden Saison zur TSV Hannover-Burgdorf.

Dazu kam, dass Kiels norwegischer Spielmacher Sander Sagosen früh mit einer Schulterverletzung raus musste. Die bereitete dem Verein auch nach Spielschluss noch Sorgen. Bis Redaktionsschluss war unklar, wie schwer die Verletzung ist.

Schmerzhaft war auch für Füchse-Torwart Dejan Milosavljev ein Gesichtstreffer des THW-Kapitäns Domagoj Duvnjak kurz vor der Pause. Wie der Keeper sich aber mit dem ganzen Körper dem folgenden Siebenmeter von Niclas Ekberg entgegenstellte und diesen entschärfte, zeigte die Entschlossenheit, mit der die Berliner die schwerfälligen Kieler bis dato dominierten.

Im Handball genügen aber manchmal vier Minuten, um einen Vier-Tore-Rückstand aufzuholen und die Halle zum Kochen zu bringen. Das gelang den Kielern nach der Pause und schien sie endlich in den Lauf zu bringen, der vorher ungewohnt stockte. Dazu brachte Torwart Quenstedt jetzt endlich die Hand an einige Bälle.

„Es steht Null zu Null“, besänftigte Füchse-Trainer Jaron Sievers die Gemüter seiner plötzlich verunsicherten Spieler. Auch die stehen unter Druck, die Champions League zu erreichen, da der Club für die kommende Saison mit dem Dänen Mathias Gidsel und dem Schweden Max Darj schon zwei Spieler verpflichtet hat, die es ins internationale Rampenlicht zieht.

Trainer hat die Meisterschaft abgeschrieben

Tatsächlich stand die Füchse-Abwehr in der Folge wieder stabiler und zwang die Kieler Rückraumspieler zu überhasteten Würfen, die Milosavljev reihenweise abwehrte. Der THW kam nie über einen Gleichstand hinaus und fünf Sekunden vor Ende überreichte Duvnjak dem Schiedsrichter freiwillig den Ball, da der Rückstand wieder auf vier Tore angewachsen war.

19 Gegentore in einer Hälfte haben Seltenheitswert in der Ostseehalle

„Es wäre eine Frechheit von uns, noch von der Meisterschaft zu sprechen“, sagte ein frustrierter Filip Jicha angesichts von acht Minuspunkten mehr als der SC Magdeburg – wo die Zebras nach der nun folgenden Länderspielpause in vierzehn Tagen antreten müssen. Nach Minuspunkten liegen sie jetzt auch hinter den Berlinern, die das erste Mal überhaupt in Kiel gewinnen konnten. Umso wichtiger ist es, dass sie sowohl in der laufenden Champions League als auch im Pokal noch in einer guten Ausgangsposition sind.

In der Liga muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass der Meister das erste Mal seit fünf Jahren nicht aus dem Norden kommt. Die SG Flensburg ist theoretisch ebenfalls noch im Rennen um Platz zwei der Bundesliga und der Qualifikation zum Viertelfinale der Champions-League dabei. Gegen Balingen gewannen sie am Sonntag immerhin souverän mit 35:21.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.