TAZ-SERIE "NEUES SOZIALES BAUEN" (3): Die wachsenden Genossen
Die Genossenschaft Berolina baut neu. Nichts fürs ganz kleine Geld, aber für weniger Betuchte fällt auch was ab: Durch Umzüge frei werdenden Wohnungen sollen nicht teurer werden.
In Zeiten, in denen die Mieten immer weiter steigen und internationale Anleger mit dem "billigen" Immobilienstandort Berlin werben, sind Worte wie die von Jörg Kneller Balsam auf die Mieterseele. "Wir müssen keine Renditeerwartungen anderer erfüllen", sagt das Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft Berolina. "Was wir erwirtschaften, das investieren wir wieder in den Bestand."
Die Berolina ist eine der mittelgroßen DDR-Wohnungsbaugenossenschaften, die den Sprung in die neue Zeit scheinbar mühelos gemeistert hat. Die meisten der 3.700 Wohnungen, von denen sich 2.400 in Mitte befinden, sind saniert. Die Durchschnittsmieten für die Mitglieder bewegen sich bei fünf Euro den Quadratmeter, dazu kommen noch die Betriebskosten. Gerade hat die Genossenschaft an den 50er-Jahre-Plattenbauten in der Sebastianstraße Balkone anbringen lassen. "Normalerweise könnten wir da etwa 100 Euro pro Monat an Modernisierungskosten umlegen", sagt Jörg Kneller. "Tatsächlich bezahlen unsere Mieter nur die Hälfte."
Kein Wunder, dass der Andrang auf den Wohnungsbestand der Berolina groß ist, auch wenn Kneller einräumt, dass Plattenbauten nicht jedermanns Sache sind. "Wer aber zentral und im Grünen leben will, der ist bei uns richtig." Um der steigenden Nachfrage auf der Angebotsseite etwas entgegenstellen zu können, hat sich die Berolina nun an ihr erstes Neubauprojekt gewagt.
In Berlin herrscht Wohnungsknappheit. Neubau tut not. Doch der soziale Wohnungsbau ist Geschichte. Viel zu teuer wurde in den 80er und 90er Jahren gebaut, und die Subventionen landeten meist bei den Investoren. Wie aber kann man sozialverträglich bauen? Die taz erkundet in einer Serie Projekte und Modelle, die das Bauen in der Stadt verändern können. In Teil 1 (4. Mai) ging es um einen günstigen Neubau für das Mietshäuser Syndikat, in Teil 2 (11. Mai) um ein Bauprojekt im Bergmann-Kiez.
Anne und Jakob heißen die beiden Würfel, die derzeit an der Annen- und Jakobstraße in Mitte entstehen, insgesamt 23 Wohnungen, die sich mit ihrer unspektakulären Architektur gut in die Umgebung fügen. "Weil wir auf eigenem Grund und Boden bauen, konnten wir die Baukosten auf 1.900 Euro pro Quadratmeter senken", freut sich Kneller, während er durch die beiden fünfgeschossigen Häuser führt. Ganz so günstig wie im Bestand wird es sich hier allerdings nicht wohnen. "Die Durchschnittsmiete beträgt zehn Euro kalt."
Damit sich aber auch die bisherigen Mitglieder das Wohnen bei Anne und Jakob leisten können, hat die Berolina die Mieten gestaffelt - von 8,50 Euro im Parterre bis 12 Euro im Dachgeschoss. Vor allem auf Familien, die sich vergrößern wollen, sowie auf Senioren setzt die Genossenschaft. Die Wohnungen sind barrierefrei. Doch es können sich auch Neumieter bei der Berolina bewerben. Das Eintrittsgeld in die Genossenschaft kostet einmalig 100 Euro, hinzu kommen noch Gesellschafteranteile, die bei der Miete einer Wohnung erworben werden müssen. "Bei einer 60 Quadratmeter-Wohnung sind das 7 Anteile à 205 Euro", rechnet Kneller vor. Zum Vergleich: Bei den kleineren Wohnungsgenossenschaften, die nach der Wende gegründet wurden, beträgt der Eintritt nicht selten 5.000 Euro.
Die Berolina weiß, dass sie mit dem Neubauprojekt Neuland betritt. Die Mieter in der Umgebung waren nicht begeistert, als sie von Anne und Jakob erfuhren, sagt Kneller. Schließlich stehen die Neubauten auf einer ehemaligen Grünfläche. Doch Kneller setzt auf den Genossenschaftsgedanken. Zu dem gehört auch, dass ein größeres Angebot mehr Flexibilität ermöglicht. Auch im Bestand. Wenn ein Mieter aus einem der 50er-Jahre-Häuser in den Neubau zieht, will die Berolina die Miete der alten Wohnung nicht unbedingt erhöhen. "Da ist uns der Genossenschaftsgedanke wichtiger als der Neuvermietungszuschlag", sagt Kneller. Das Gleiche gilt, wenn ein Mieter aus gesundheitlichen Gründen vom dritten Stock ins Erdgeschoss zieht. "Der nimmt selbstverständlich seine alte Miete mit."
Inzwischen hat die Berolina am Thema Neubau Gefallen gefunden. Grundstücke, auf denen die Genossenschaft verdichten könnte, gibt es genug. Das nächste Projekt mit 50 bis 60 Wohnungen soll an der Heinrich-Heine-Straße entstehen. "Wir wollen mit dem Neubau als Genossenschaft wachsen", gibt Kneller als Devise aus.
In dem Zusammenhang hat er aber auch ein paar Forderungen an den Senat. "Wenn Berlin will, dass es auch im Neubau preiswerte Wohnungen gibt, dann muss der Senat landeseigene Grundstücke billig zur Verfügung stellen." Sollte einmal ein solches Grundstück im Angebot sein, will sich auch die Berolina bewerben. Keller: "Wir haben gezeigt, dass wir das können."
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