Syrische Menschenrechtsaktivistin: Anwältin an allen Fronten
Razan Zeitouneh, Menschenrechtsaktivistin in Syrien, wurde aus ihrem Büro verschleppt. Bislang gibt es keine Forderungen seitens der Entführer.
Razan Zeitouneh ist der „Stern“ der zivilen syrischen Widerstandsbewegung, die Intellektuelle und Strategin, die Sprecherin des wichtigsten Netzwerks der AktivistInnen, des LCC (Local Coordination Committee). Sie hat es mit aufgebaut.
Seit Beginn der Aufstände dokumentiert die Anwältin Menschenrechtsverletzungen. Und zwar von allen Seiten, dem Assad-Regime, den Islamisten, der Freien Syrischen Armee. Zeitouneh macht sich damit überall Feinde und bleibt doch mit ihren politischen Gegnern im Gespräch. Das berichten alle, die sie persönlich kennen. Selbst radikale Islamisten respektieren sie.
Und bis vor zwei Tagen war noch klar: Bei allen Differenzen, auch die islamistische Brigade in Ghouta wird die 36-jährige Anwältin nicht anfassen. Doch dann wurde Zeitouneh am Morgen des 10. Dezember mit ihrem Mann und zwei weiteren KollegInnen aus ihrem Büro verschleppt. Wer dafür verantwortlich zeichnet, ist offen. Auch, ob sie noch lebt. Die Islamisten weisen jede Beteiligung von sich.
Seit 1998 verteidigt Zeitouneh politische Häftlinge. Sie gehört zum kleinen Kreis der MenschenrechtsaktivistInnen in Syrien. 2002 entdeckte sie die Geschichte und die Gegenwart Syrien neu. In der Dankesrede für den Ibn-Rushd-Preis für Meinungsfreiheit 2012 beschrieb sie ihre damalige Tätigkeit so: „Wir waren beschäftigt, die Erinnerung, die das Regime löschen wollte, zu erforschen, zu dokumentieren und wieder zu beleben. […] Die schönsten und gleichzeitig schmerzhaftesten Momente waren die, wenn wir entlassene Gefangene besuchten, um ihre Geschichten zu hören – jede einzelne von ihnen war so gewaltig wie die Geschichte einer Heimat.“
Zeitouneh ist Sunnitin und heiratete einen Drusen; auch hier ignorierte sie die Gepflogenheiten. 2011 denunzierte das syrische Staatsfernsehen sie als ausländische Agentin, und sie tauchte unter. Vor einem Jahr ging sie nach Ghouta, dem Vorort von Damaskus, in dem die Giftgasbomben fielen. „Stundenlang“, schreibt sie, „könnte ich über die Demütigung sprechen, die ich aufgrund der UN-Resolution zur Abrüstung der syrischen Chemiewaffen empfand.“
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