Syrienkonflikt greift auf Libanon über: Raketen auf Beirut
Der Angriff soll mit dem Konflikt in Syrien zusammenhängen. Damaskus will an der geplanten Friedenskonferenz teilnehmen.
BERLIN taz | Es ist schon ein Wunder, dass es dem Libanon bislang gelungen ist, sich aus dem Konflikt in Syrien herauszuhalten. Doch das wird immer schwieriger. Am Sonntagmorgen schlugen zwei Raketen im Süden Beiruts ein und verletzten mindestens vier Menschen. Einem Vertreter der Sicherheitskräfte zufolge wurden sie von einem Berg 13 Kilometer südöstlich der Hauptstadt abgefeuert. Dort sollen in einem Waldstück Raketenwerfer gefunden worden sein.
In dem Stadtteil, in dem die Geschosse niedergingen, ist die libanesische Schiitenbewegung Hisbollah einflussreich, die den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützt.
Vermutungen, dass die syrischen Rebellen oder deren Verbündete im Libanon dahinterstehen, bezeichnete der libanesische Interim-Innenminister Marwan Charbel jedoch als „reine Spekulation“. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. Ein Sprecher der syrischen Rebellen stritt eine Beteiligung ab.
Der Raketenangriff war der erste Zwischenfall in Beirut seit einem Autobombenanschlag im vergangenen Oktober, der Ausschreitungen zwischen Sympathisanten und Gegnern Assads provozierte. Bereits damals warnten Beobachter vor einem Übergreifen des syrischen Bürgerkriegs auf das kleine Nachbarland. In den meisten Teilen des Libanon blieb es ruhig.
Hisbollah-Chef Nsrallah verspricht Sieg in Syrien
Der Raketenangriff am Sonntag erfolgte am frühen Morgen, nur wenige Stunden nach einer Rede des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah am Vorabend. In einer einstündigen Fernsehansprache hatte er einen „Sieg“ in Syrien versprochen und versichert, dass die Hisbollah weiterhin zu Assad stehen werde. Erstmals bekannte sich Nasrallah klar zum Kampfeinsatz seiner Miliz in Syrien. Die Hisbollah habe „einige“ Kämpfer entsandt, sagte Nasrallah. Bislang hatte er zwar aus seiner Unterstützung für Assad keinen Hehl gemacht, nicht jedoch davon gesprochen, aktiv an den Kämpfen in Syrien beteiligt zu sein.
Ein syrischer Aktivist aus der Grenzregion schätzte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, an der Schlacht um die zehn Kilometer vom Libanon entfernt gelegene Stadt al-Kusair seien inzwischen rund 2.000 Hisbollah-Kämpfer beteiligt. Mithilfe der Hisbollah sollen syrische Regierungstruppen eine neue Offensive gestartet haben. Informationen aus dem Gebiet lassen sich jedoch nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
Im Libanon ist die Beteiligung der Hisbollah am syrischen Bürgerkrieg umstritten, auch unter Schiiten. Für die Hisbollah geht es um das regionale Machtgefüge. Ein Interesse, den Konflikt in den Libanon zu tragen, hat sie offenbar nicht. „Wir kämpfen in Syrien, ihr kämpft in Syrien. Lasst uns den Kampf weiterhin dort austragen“, sagte Nasrallah in seiner Ansprache. „Lasst den Libanon außen vor!“
Die Hisbollah ist nicht die einzige libanesische Gruppierung, die sich in den Konflikt des Nachbarlandes einmischt. Auch Sunniten aus dem Libanon kämpfen in Syrien, allerdings auf der Seite der Rebellen. Zu ihnen gehören die Anhänger des Salafisten-Predigers Ahmed al-Asir, der zum „heiligen Krieg“ in Syrien aufgerufen hat.
Gespannte Lage in Tripolis im Norden des Landes
Vor allem im nordlibanesischen Tripolis verschärft die Beteiligung sunnitisch-salafistischer Kämpfer am Krieg in Syrien die ohnehin angespannte Lage. Allein in der vergangenen Woche sind bei bewaffneten Auseinandersetzungen 30 Menschen getötet worden. Die libanesische Armee versucht zu schlichten, scheint dazu jedoch nur begrenzt in der Lage zu sein. In der Küstenstadt kommt es bereits seit Jahren zu sporadischen Kämpfen zwischen Bewohnern eines sunnitischen Stadtteils und Alawiten aus dem Nachbarviertel.
Unterdessen erklärte der syrische Außenminister Walid al-Muallem am Sonntag, die Regierung in Damaskus sei prinzipiell bereit, an der geplanten Syrien-Konferenz teilzunehmen. Bei dem von Russland und den USA initiierten Treffen soll über Wege für ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien beraten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands