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Syrien und Wahl in DeutschlandWenn der Krieg den Kampf stört

Es gibt keine Aussicht auf politischen Profit. Trotzdem bringt Syrien den Wahlkampf durcheinander. Denn die Relationen haben sich jetzt verschoben.

Plötzlich bringt der Krieg alles durcheinander. Bild: ap

BERLIN taz | Unbedingt wollen auch Union, SPD, Grüne und FDP den giftigen Dämpfen ausweichen, die ihnen aus Syrien entgegenwehen. Es ist für sie fast unmöglich, das Thema Bürgerkrieg und sterbende Kinder so in den Wahlkampf einzuspeisen, dass Glaubwürdigkeit und Zustimmung nicht leiden. Das gilt selbst dann, wenn wirklich kein Mensch irgendwo eingreifen will.

Es gilt sogar gerade dann. Gerade weil von Barack Obama über Angela Merkel bis Peer Steinbrück sich alle einig sind, dass die Lage in Syrien aussichtslos ist, gibt es keine Abgrenzungsmöglichkeit und damit kaum Aussicht auf politischen Gewinn. Stattdessen gerät das Wahlkampfkonzert ganz durcheinander. Die Relationen verschieben sich, was wichtig ist und was nicht. Merkels Krankenschwestermiene, Steinbrücks Wolfslächeln – passt das alles noch?

Außenpolitik geht in Deutschland meist auf Kosten der Innenpolitik, im Wahlkampf sowieso. Die öffentlichen Stimmungslagen „Ansehen in der Welt retten“ oder „Wer, wenn nicht wir, kann dort etwas bewegen“ sind in den USA, Großbritannien und Frankreich vielleicht noch herstellbar – in Deutschland kaum.

Die Linkspartei gibt vor, sie habe keine offenen Fragen an den unfriedlichen Rest der Welt. Die Nichtlinksparteien aber brauchen jetzt sehr viele Variationen der Formel „Wir machen nicht mit, unterstützen die anderen aber trotzdem irgendwie“. Doch ist es unfair, dies als Wahlkampfherumgedruckse zu schmähen. Herumgedruckse ist aktuell ein sachlich angebrachtes Verhalten: Wenn bei Syrien Fehler gemacht wurden, dann sind die jetzt kaum noch zu beheben. Es ist legitim, die im Vergleich zu Syrien harmlos anmutenden innenpolitischen Botschaften ans Wahlvolk retten zu wollen: Betreuungsgeld und so.

Bedrohte Inszenierungen

Ob das klappt, hängt davon ab, was passiert, wenn die UN-Waffeninspekteure abgezogen sind. Gut möglich, dass in Washington dramatische Entscheidungen fallen, wenn am Sonntagabend im Fernsehstudio gerade Kanzlerin, Kandidat und ModeratorInnen ihre Frisuren fürs „Duell“ festsprühen lassen.

Doch nicht nur die Inszenierung der Spindoktoren ist bedroht. Auch wenn sich die Syrien-Sätze von Union, SPD, Grünen und FDP kaum unterscheiden, ist ja trotzdem noch unklar, wem die WählerInnen es abnehmen, dass sich einfache Antworten verbieten und alle aber das Beste für das syrische Volk wünschen.

Vielleicht werden für die neuen Unwägbarkeiten dann diejenigen den höheren Preis zahlen, die schon früher nicht alle Anhänger mit ihrer Außenpolitik zu überzeugen vermochten: SPD und Grüne. Die Linkspartei braucht dafür noch nicht einmal anzugreifen, so frisch ist die Erinnerung noch an den Schock der rot-grünen Kriege.

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7 Kommentare

 / 
  • D
    D.J.

    @Ingrid Werner,

     

    "Kosovo- Krieg - ein absolut, wenn auch nicht durch die UN abgesegnet, gerechtfertiger Krieg"

     

    Sie scheinen zu den Leuten zu gehören, die die widerliche Propaganda eines Scharping und anderer noch immer glauben.

     

    Fast ebenso widerlich: Gabriels Versuche, auf Bodensatzniveau Wahlkampf zu machen ("Frau Merkel soll nach Moskau") angesichts des Verhaltens von dessen Busenfreund Hollande.

  • Was die Merkel heute wieder mit ihrem Aufruf an Putin gemeint hat?, er solle doch in Sachen Syrien einlenken, worin denn konkret und wofür?, das sagt sie nicht, soll er im Sicherheitsrat einem ANgriff zustimmen? Warum sagt die Merkel uns dann nicht glasklar, dass sie einen Angriff unterstützt sondern redet nur wolkig von Konsequenzen. Allerdings sollte sie dann konsequent sein, wenn sie tatsächlich von den Bweisen der Amis überzeugt ist – u unser Bundestag auch überzeugt ist, dann soll Dtl. auch mitmachen. Ein Bündnis (wie die Nato) ist unsolidarisch wenn nur drei Staaten mitmachen u die anderen sich drücken. Noch haben wir Kriege in der Welt, bis der Weltfrieden ausbricht müssen wir in Militärbündnissen zusammenstehen. Fraglich ist aber neben der Beweisbarkeit der Giftgasabgriffe durch Assad auch die Möglichkeit irgendetwas an dem Krieg zu ändern, man traut sich nicht zu Frieden erzwingen zu können. Dann ist es villeicht doch besser nichts zu tun. Will man zur Befriedigung der eigenen Eitelkeit angreifen, weil man sich in seiner Rolle als Weltmacht diskreditiert sieht, weil man nichts tut, trotz unbedacht gesetzter roter Linien, und dabei eine weitere Eskalation riskieren?

  • die erinnerung an die rot -grünen Kriege? habe ich was verpasst. Also Rot-Grün hat im Irak nicht mitgemacht, Merkel hätte es nach allem was wir wissen getan. Ansonsten bleibt Afghanistan, dort sind sie auch erst nach dem eigentlichen Krieg dazugekommen, das macht die Mission nicht unbedingt zu einem Erfolg aber... Rot- Grüne Kriege klingt so nach großen militärischen aktionen. da steht nur eine zu Buche und das war der Kosovo- Krieg - ein absolut, wenn auch nicht durch die UN abgesegnet, gerechtfertiger Krieg, und noch dazu mitten in Europa gelegen. Ähnliche politische u wirtschaftliche anstrengungen wie auf dem Balkan im Nachhinein (Aufnahme der Staaten in die EU) würde man sich auch bei anderen Staaten wünschen etwa Libyen. Nicht in die EU aber ähnliche eigene Verbünde mit echter ordentlich finanzierter Unterstützung- könnte sich später auzahlen- eher als ewige Belehrungen u wenns um konkrete Unterstützung geht kommen nur leere Kooperationsversprechen. Diese Staaten werden jetzt v Saudiarabien u Katar finanziert, demnächst auch Syrien? Und natürlich wäre es auch in unserem Interesse wenn sich diese Staaten zum besseren entwickeln, und man sie versucht enger an uns zu binden, aber mit strategischem Denken hat es die deutsche Politik nicht so, ansonsten hätte sie die Türken nicht so lange vorgeführt (seit neuestem macht sie das ja auch mit EU- Mitgliedern.

  • H
    Heintje

    die Kriegstoten in Syrien eignen sich dochhervorragend, um von innenpolitischen Misständen abzulenken. Jeder Gastote ein Gewinn für die etablierten Parteien. Da fällt das blablabla und blubblall weniger auf.

  • Die Lage in Syrien ist nicht "aussichtslos", sie wird es aber nach einem US-Angriff auf Syrien sein, denn dann befinden wir uns mitten im 3.Weltkrieg.

    "Die Linkspartei gibt vor, sie habe keine offenen Fragen an den unfriedlichen Rest der Welt". Woher haben Sie das denn Frau Winkelmann?

     

    Wenn überhaupt jemand die Frage nach dem Sinn von Militärschlägen und dem Danach stellt, dann ist das die Linke. Alle übrigen im Bundestag vertretenen Parteien stecken bis zum Hals in Geschäften der Rüstungsindustrie. Sämtliche Abgeordnete dieser Parteien, die in ihren Wahlkreisen Zulieferfirmen für die Rüstung beherbergen, sind der Ansicht, dass ein Arbeitsplatz in diesen Firmen wertvoller ist als ein Menschenleben in Syrien, oder sonstwo. Die wissen alle ganz genau, dass man die Tochter nicht ohne die Mutter kriegt. Wer sein Geld mit Waffen verdient, kann sich nicht glaubwürdig gegen den Krieg aussprechen. Man kann es garnicht oft genug anmerken, aber Deutschland ist auf Platz 3 der Rüstungsexporteure in der Welt. Wer von der Waffe lebt, wird eines Tages durch die Waffe sterben! Ist Euch das eigentlich klar und wollt ihr ewig so weitermachen, lautet die Frage der Linken nicht erst seit Syrien.

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    wer mitbekam, wie die in den Enquetekommissionen des Bundestages Buergerkriege daraus gemacht haben, sieht ueberhaupt keine Kompetenz der Akteure, sich anspruchsvollen und komplexen Themen zu widmen

     

    Eine zerstrittene Opposition hat Syrien schon, das braucht nicht aufgestockt werden.

     

    Man haette Enquetes an landes u kommunalen Nachhaltigkeitsstrategien ankoppeln koennen thematisch (man ist offen auf Anfrage), es wurde nicht gemacht, die arbeiten laengst konkret in den unteren Ebenen, ueber die taz wurde ein Blockieren auf Bundesebene verbreitet, es kann laengst konkret auf Anfrage gearbeitet werden mit Etgebnissen der Enquetes, hochgradig wichtig.

     

    Sorry, da seh ich keine Quali u Kompetenz unbedingt in Syrien wie auch immer einzufallen.

     

    Genial ist die Alice Salomon Hochschule Berlin mit deren Motivation Seminare mitten ins Fluechtlingsheim Hellersdorf zu verlegen. Sowas ist gefragt. Here and abroad. Konkret Sinnvolles sofort. Die sassen dafuer nicht mal in einer Bundestagsenquete.

     

    Ich hab zu viel Schreckliches gesehen politisch. Weg mit Trennungen und strukturalen Trennungen. Sturheit hat Assad selbst genug, der braucht nicht noch welche aus dem Bundestag.

  • G
    Gerd

    Echt "Lustig" soetwas als Linke Position lesen müssen zu dürfen