Syrien-Treffen in Sotschi: Opposition boykottiert Konferenz
Mehr als 1.000 Teilnehmer hat Russland zum „Kongress der Völker Syriens“ eingeladen, der am Montag beginnt. Die größte Oppositionsgruppe bleibt jedoch fern.
Mit dem Syrischen Verhandlungskomitee nimmt die größte Dachorganisation der Opposition, die zuletzt auch die Syrien-Gespräche in Wien geführt hatte, nicht an der russischen Initiative teil. Es seien im Vorfeld zu wenige Fortschritte erzielt worden, um die Teilnahme zu rechtfertigen, sagte der Delegationsleiter des HNC, Nasr al-Hariri. Dies bedeute jedoch kein generelles Ende der Friedens-Gespräche und keinen Rückschlag in den Bemühungen um eine Lösung des Syrienkonflikts. Der Friedenprozess befinde sich aber in einer kritischen Phase, sagte Al-Hariri.
Im Vorfeld des Kongresses hatten auch andere Oppositionsgruppen, die nicht dem Dachbündnis HNC angehören, ihre Teilnahme an der Sotschi-Konferenz abgesagt. Die Opposition befürchtet, dass durch die Kongress die Position von Syriens Präsident Baschar al-Assad gestärkt wird.
Ein Vertreter des russischen Außenministeriums sagte der Agentur Tass, die Entscheidung der Opposition wirke sich nicht auf die Konferenz aus. „Der Kongress findet ohne sie statt, leider. Das ist alles.“
UN-Sondervermittler hatte mit Teilnahme gehadert
Für die Opposition würden etwa 320 Vertreter in Sotschi erwartet, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf syrische Quellen. Die meisten zählen zur sogenannten „loyalen Opposition“, die eine Zusammenarbeit mit Assad nicht grundsätzlich ausschließt. So entsendet die in Frankreich lebende syrische Politikerin Randa Kassis etwa 50 Anhänger.
Nach anfänglichem Zögern nimmt auch UN-Sondervermittler Staffan de Mistura an der Konferenz teil. Entscheidend dafür sei die Zusicherung Moskaus, dass die Konferenz den UN-geführten Friedensprozess nur ergänzen solle, hieß es. In diesem Sinne seien die UN zuversichtlich, dass die Konferenz einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung des innersyrischen Dialogs liefern könne.
Zuvor war am Wochenende die neunte Runde der von den UN geleiteten Syrien-Gespräche ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen. De Mistura solle die geplante Verfassungskommission leiten, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax am Montag unter Berufung auf offizielle Unterlagen.
In einem Entwurf der Abschlusserklärung von Sotschi, der in den vergangenen Tagen zirkulierte, wird vor allem auf die Souveränität des syrischen Staates eingegangen. Die Syrer sollten durch Wahlen selbst und ohne Einfluss von Außen über ihr politisches, ökonomisches oder soziales System entscheiden. Der Staat verpflichte sich seinerseits zu nationaler Einheit.
Schwere Kämpfe überschatten Friedensbemühungen
Aus Protesten gegen die syrische Staatsführung Anfang 2011 ist binnen sieben Jahren ein Krieg mit internationaler Beteiligung, unterschiedlichen Interessen und Einflusssphären sowie teils schwer bewaffneten Akteuren geworden. Das macht es unter anderem so schwierig, den Konflikt beizulegen. Mehr als 400 000 Menschen sind nach UN-Angaben als Folge von Waffengewalt getötet worden.
Russland ist ein enger Verbündeter des syrischen Präsidenten. Mit der militärischen Unterstützung Russlands eroberte die syrische Armee große Gebiete des Landes wieder von den Rebellen zurück.
Überschattet wird der Kongress in Russland von schweren Kämpfen in Syrien. Nahe der Hauptstadt Damaskus starteten überwiegend islamistische Gruppen in der Rebellenhochburg Ost-Ghouta am Sonntag eine Offensive gegen Regierungssoldaten. Dabei wurden nach Oppositionsangaben mindestens 13 Armeeangehörige durch einen Anschlag mit einer Autobombe getötet.
Im Norden des Landes bombardierte die türkische Luftwaffe erneut Stellungen der kurdischen Volksschutzeinheiten YPG. Die Türkei sieht die von den USA unterstützte Kurden-Miliz als „Terroristen“ an. Die Kurden hatten im Laufe des Syrienkrieges Gebiete fast auf der gesamten Länge der syrisch-türkischen Grenze eingenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee