Syrien-Konferenz: Deutsche Doppelstandards
Der Westen stellt Syrien eine Reihe von Forderungen, dabei braucht das Land erst mal das Nötigste. Die Sanktionen müssen endlich fallen.
D eutschland unterstützt in Syrien einen friedlichen Übergang hin zu einem inklusiven politischen System, das allen Gruppen der syrischen Gesellschaft Rechte und Teilhabe einräumt. Das erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Sonntag am Rande der internationalen Syrien-Konferenz. Die Konferenz fand in Saudi-Arabien statt – nicht gerade bekannt für ein inklusives politisches System, das allen Gruppen Rechte und Teilhabe einräumt.
Saudi-Arabiens fundamental-islamische Monarchie erhält von Deutschland nicht mahnende Worte, sondern Kampfjets. Ohne Gegenstimme wurde ihr sogar im Dezember von der Fifa die Fußball-WM 2034 zugesprochen. Syrien hingegen wartet weiter auf ein Ende der internationalen Sanktionen, die einst verhängt wurden, weil Diktator Baschar al-Assad die syrische Bevölkerung massakrierte. Assad wurde im Dezember gestürzt, womit die Grundlage für die Sanktionen entfallen ist, aber egal, dann gibt es eben eine neue.
„Jetzt ist es an der Zeit für Syriens neue Führung, die Hoffnungen einzulösen, die sie geschaffen hat, mit einem friedlichen und inklusiven Übergang, der alle Minderheiten schützt“, erklärte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Saudi-Arabien. Die Menschen in Syrien verbinden das Einlösen der Hoffnungen zunächst einmal damit, dass sie jetzt ohne Angst leben können.
Warum wird diese Errungenschaft der Befreiung nicht gewürdigt? Sie brauchen Strom und erschwingliches Essen. Wie soll das gehen, ohne Importe und Investitionen? Die USA haben immerhin einige Sanktionen ausgesetzt. Deutschland windet sich: Die Zivilbevölkerung brauche „Erleichterungen“, heißt es, aber die Sanktionen „müssen bleiben“.
Statt ein Staatswesen nach westlichem Vorbild zu gründen, um westliches Geld zu bekommen, könnte Syriens Regierung auch ein Staatswesen nach saudischem Vorbild gründen und dafür saudisches Geld bekommen. Wahrscheinlich bekäme sie sogar mehr. Europa kann diesen Wettbewerb nicht gewinnen. Es sollte ihn gar nicht erst starten. Die Sanktionen müssen fallen. Bedingungslos und sofort.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens