Syrer darf nicht in Berliner Klinik: Trotz Kopfschuss
Bei Patienten aus Saudi-Arabien oder Russland ist ein Visum für Deutschland Routine. Bei Muhammed Al Mousa nicht. Denn er ist Syrer.
Denn seine türkischen Ärzte können den komplizierten Eingriff nicht vornehmen, es sei zu gefährlich. In Berlin hingegen traut man sich die Operation zu. Den Kontakt zu den Berliner Spezialisten stellte eine Berliner Aktivistin her. Am Ende wird ihre Mutter, Sophia Deeg, die nötigen 6.000 Euro an das Neurochirugie im Vivantes Klinikum Friedrichshain überweisen und bei seinem Visumsantrag helfen. Alle Papiere sind vorhanden, der Aufnahmetermin steht - doch das Auswärtige Amt stellt sich quer.
Begründung: Es sei nicht gesichert, ob al Mousa nach der OP wieder in die Türkei zurückkehren werde. Womöglich stelle er in Berlin einen Asylantrag. Der Sophia Steeg beratende Arzt, Jakob Borchardt, ebenfalls bei Vivantes tätig, sagt gegenüber der taz: „Ich bin stark verwundert, dass bei einer so klaren medizinischen Indikation ein Visum verweigert wird. Bei Patienten aus Russland oder Saudi-Arabien ist das Routinesache.“
Al Mousa klagt gegen das Auswärtige Amt. Das Berliner Verwaltungsgericht wird an diesem Mittwoch darüber entscheiden, ob sie die Entscheidung erneut überprüfen wird. Für Al Mousa hängt davon sein Leben ab. Das ist nicht übertrieben, leider. Denn inzwischen haben sich an der offenen Kopfwunde zwei Zysten gebildet. Sein Zustand verschlechtert sich. Der in Berliner Strafverteidiger Nicolas Becker faßt die Haltung, die er als „unmenschlich“ empfindet, so zusammen: „Es kann doch nicht sein, dass man jemanden nicht hilft, obwohl man helfen kann und stattdessen auf den Rechtsweg verweist. Und damit den Tod eines Menschen in Kauf nimmt.“
Berlin, daran erinnert Becker, hat eine lange Tradition, Gehirngeschädigten zu helfen. Begründet von dem Neurologen Vladimir Lindenberg, der in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg unzählige Menschen versorgte. Es liegt nun im Ermessen des Verwaltungsgerichts und vor allem des Auswärtigen Amts, ob Al Mousa sich einer gefährlichen Operation an einem Ort unterziehen kann, wo ihm gute Heilungschancen in Aussicht gestellt werden. Oder nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“