Sven-Michael Veit über die Elbvertiefung: Eine Chronik der Inkompetenz und Ignoranz
Es dürfte tatsächlich der Schlusspunkt hinter den 17 Jahre dauernden Planungen für die Elbvertiefung sein. Der jetzt vorgelegte Planfeststellungsbeschluss wird zwar höchstwahrscheinlich wieder dem Bundesverwaltungsgericht zur abschließenden Beurteilung vorgelegt werden – und wie Gerichte entscheiden, Verwaltungsgerichte zumal, ist nie wirklich vorhersehbar –, doch vieles deutet darauf hin, dass die neuerliche Planung akzeptiert wird.
Neuer Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel zu schaffen, ist die entscheidende Hürde. Wenn die Leipziger Richter die nun präsentierte Ausgleichsmaßnahme zur Ansiedlung der seltenen Pflanze oberhalb Hamburgs absegnen, steht der Ausbaggerung der Elbe nichts mehr im Wege. Dann wäre der Weg frei für Politik und Hafenwirtschaft, das zu retten, was vom Hamburger Hafen noch übrig ist.
Denn die Geschichte der Elbvertiefung ist eine Chronik der Inkompetenz und Ignoranz. Hamburg hätte sein vermeintliches Überlebensprojekt schon vor Jahren haben können, wenn Stadt und Bund sachgemäß und gesetzestreu gearbeitet hätten. Haben sie aber nicht. Zwei Planungen waren so indiskutabel, dass die Verantwortlichen sie selbst zurückzogen; die dritte Planung erklärten die Leipziger Richter für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Jetzt kommt die dritte Ergänzungsplanung.
Verantwortlich für diesen staatlich verordneten Pfusch war die politische Vorgabe, die Baggerpläne ohne Rücksicht auf rechtlich gesicherte Belange der Natur durchzudrücken. Gerichte mussten klarstellen, dass Ökonomie auf Kosten der Ökologie ein Rezept aus der Steinzeit ist. Die Naturschützer mussten erkämpfen, was Politik und Wirtschaft von Anfang an hätten berücksichtigen müssen.
Die Elbvertiefung wird jetzt kaum noch aufzuhalten sein, aber sie kommt auf einer vertretbaren Grundlage. Der Abstieg Hamburgs vom Welt- zum Regionalhafen aber ist die Schuld von Dilettanten und Betonköpfen in Rathaus und Handelskammer. Ihre ganz allein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen