Susanne Messmer erfährt von einer schwierigen Rückreise aus Neuseeland: „Wir sitzen im Hotel fest und warten darauf, dass wir endlich nach Hause fliegen dürfen“
Wir sind Ende Juli 2019 nach Neuseeland gekommen und wollten bis Ende Juni 2020 hier bleiben. Es war kein richtiges Sabbatical, weil mein Mann und ich im Homeoffice für unsere Arbeitgeber in Deutschland weiter gearbeitet haben. Eine unserer Töchter machte hier in der selben Zeit Work and Travel; die andere ging in die Schule. Der Plan war, möglichst viel Natur zu erleben und weg vom Großstadtleben in Berlin zu kommen. Das alles hat auch gut geklappt.
Dass wir wahrscheinlich vor dem geplanten Abreisedatum Ende Juni nach Hause gehen müssen, schwante uns Mitte März. Da wurde der Flug unserer älteren Tochter für Ende Mai gecancelt, und uns wurde gesagt, dass es äußerst unklar sei, wann und ob überhaupt wieder Flüge gehen würden. Kurz darauf wurde dann die Schule unserer jüngeren Tochter geschlossen; einen Tag später hieß es, dass ab dem Tag darauf nachts der Lockdown, also die Ausgangssperre, beginnen würde.
Wir haben uns dann auf der Seite des Auswärtigen Amtes als Reisende registriert. Dort wurde dringend empfohlen, noch vor dem Lockdown nach Christchurch oder Auckland zu reisen, um dort ein Flugzeug der „Rückholaktion“ der deutschen Bundesregierung zu bekommen. Wir haben innerhalb eines Tages unsere Zelte abgebrochen und sind am 25. März losgefahren.
Nun sitzen wir in Christchurch schon über zehn Tage in einem Hotel fest und warten, dass wir endlich nach Hause fliegen dürfen. Nervenaufreibend war bisher vor allem, dass die neuseeländische Regierung plötzlich die meisten schon geplanten Flüge der deutschen Bundesregierung gestoppt hat. Die Gründe liegen für uns im Dunkeln, selbst die deutsche Botschaft konnte sich am Ende über das Verhalten der neuseeländischen Regierung nur noch wundern. Inzwischen hat die neuseeländische Regierung eingelenkt, und wieder ein paar Tage später sind dann die ersten Flugzeuge nach Frankfurt geflogen.
Mich persönlich beunruhigt im Moment vor allem die Maßnahme der neuseeländischen Regierung, bei jedem Rückreisenden, bevor er oder sie in das Flugzeug steigen darf, einen Health Check zu machen. Alle, die sich dagegen wehren, so das Formblatt, oder den Health Check nicht bestehen, müssen in Quarantäne. Alle Rückreisenden sind jetzt schon knapp zwei Wochen in Selbstisolation, deshalb empfinde ich diese Maßnahme als übergriffig.
Wahrscheinlich haben wir die Pandemie hier so ähnlich wahrgenommen wie die Deutschen zu Hause. Zuerst als weit entfernte neue Krankheit in China, dann als kaum erfassbares merkwürdiges Phänomen, bei dem man sich vor allem nicht sicher war, ob die Regierungen nicht völlig hysterisch reagieren. Und dann mit Schrecken. Es war ein Artikel in der taz, der mich das Gruseln lehrte: Dort ging es um eine italienische Stadt, in der Särge durch die Stadt getragen werden. Das war noch, bevor die Bilder dazu in der „Tagesschau“ gezeigt wurden.
Misstrauische Leute
Eigentlich stelle ich mir die Situation in Deutschland im Moment nicht so viel anders vor als hier: leere Straßen, geschlossene Geschäfte, misstrauische Leute mit Mundschutz und VerkäuferInnen mit Desinfektionsmittel in der Hand. Allerdings stelle ich mir die Diskussionen über das Virus in Deutschland wesentlich offener, komplexer, multiperspektivischer und insgesamt intellektueller vor, als sie hier geführt werden.
Angst habe ich ganz konkret um meine Eltern, die zur Hochrisikogruppe gehören. Hoffnung macht mir das komplette Umdenken und Umstürzen aller bisheriger So-ist-es-das kann-man-nicht-ändern-Argumentationen, die nach der Coronakrise einen wirklichen, guten Neuanfang möglich erscheinen lassen, vor allem im sozialen wie klimapolitischen Bereich.“
Einen Tag nach Aufzeichnung dieses Gesprächsprotokolls konnte Annette Kautt mit ihrer Familie zurück nach Deutschland fliegen
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