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Susanne Memarnia macht sich auf die Socken(-Suche)Endlich wieder shoppen!

Für konsumkritische Geister waren die letzten Wochen das reine Paradies. Wer schon immer fand, dass es viel zu viele unnütze Dinge auf der Welt gibt und viel zu viele Menschen sich nur noch über das Kaufen und Besitzen von Waren definieren, den dürfte der Lockdown der Geschäftswelt kaum gestört, wenn nicht sogar ein wenig gefreut haben. Endlich Ruhe! Endlich konnte man sich (und der Welt) beweisen, mit wie wenig man auszukommen vermag, wenn es drauf ankommt.

Zugegeben, irgendwie gehöre ich auch zu diesen Leuten. Shoppen war noch nie meine Lieblingsbeschäftigung, eher im Gegenteil. Und ich rege mich auch gerne ein bisschen auf, wenn ich mal in einer Mall, sagen wir in den Neukölln Arcaden, bin und sehe, wie viele Leute an einem ganz normalen Werktag vormittags durch Modegeschäfte schlendern oder bei Mediamarkt durch die Fernsehabteilung streifen.

(Okay, ich war ja auch in der Mall, aber ich hatte natürlich einen wichtigen Grund!) Haben die alle nichts Besseres zu tun?, fragt dann mein innerer Moral-Blockwart.

Und trotzdem: Dass am Mittwoch die Geschäfte wieder öffnen können, macht mir seit Tagen gute Laune. Und ich weiß auch schon genau, wo ich als erstes hingehe: in ein Modegeschäft und Kindersocken kaufen.

Denn seit Wochen rennt mein Achtjähriger nur noch mit viel zu kleinen oder absolut löchrigen Exemplaren durch die Gegen. Diese familiäre Sockenkrise besteht bei Lichte besehen natürlich nicht erst seit dem Lockdown. Aber bis dahin konnte ich mir immer sagen: Morgen hüpfe ich nach der Arbeit schnell zu Karstadt am Hermannplatz rein oder zu H&M oder was grad auf dem Weg liegt und kaufe einige Paare. Heute, sagte ich dann zu Sohnemann, ziehst du noch mal die löchrigen an, nachher bring ich dir neue Socken mit.

Ihm macht das sowieso nichts, das ästhetische Grausen ist eher mein Problem. Dennoch habe ich den Sockeneinkauf so lange vor mir hergeschoben, bis die Geschäfte schließen mussten. Seither bin ich auf der Jagd. Erfolglos.

Man meint ja immer, gerade in den großen Billig-Supermarkt-Ketten gibt es alles. Erstaunt habe ich dieser Tage festgestellt, dass man bei Aldi in Oranienburg, wo ich gerade im Datschen-Exil verweile, inzwischen sogar I-Phones kaufen kann, von Gartenmöbeln, Taschenlampen oder Jogginghosen ganz zu schweigen. Ich bin auch ziemlich dankbar, dass der hiesige Rossmann gegenüber vom Schloss, wie ich bei meinen Beutezügen festgestellt habe, sogar eine Schreibwaren- und Spielzeugabteilung hat. Da konnte ich zuletzt für den „Osterhasen“ etwas abgreifen. Kindersocken gehören aber offenbar nicht zu den systemrelevanten Grabbelwaren, die Discounter und Drogeriemärkte vorrätig haben.

Und so habe ich meinen Chef gebeten, mir Mittwoch frei zu geben. Denn wer weiß: Vielleicht sind Kindersocken ja das neue Klopapier!

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