piwik no script img

Sumoringen um AufmerksamkeitDie neuen Sumotori sind schwer im Kommen!

Dick im Geschäft: Das Ausnahmetalent Onosato könnte die Vorherrschaft der Mongolen in Japans Nationalsport beenden.

Das Pokalheben ist noch die leichteste Übung: Onosato, Tokio, 25. Mai 2025

Tokio taz | Nichts begeistert Sumo-Fans mehr, als wenn zwei Großmeister (yokozuna) am letzten Tag eines zweiwöchigen Turniers um den Gesamtsieg kämpfen. Auf solch ein Duell warten die Anhänger seit über fünf Jahren. Am 27. Juli, dem Schlusstag des kommenden Turniers in Nagoya, könnte es wieder so weit sein.

Dann treffen wahrscheinlich die beiden neuen Yokozuna, Hoshoryu und Onosato, aufeinander. Ihr letzter direkter Kampf fesselte das Publikum im Tokioter Stadion und an den TV-Bildschirmen beim Sommerturnier im Mai, als der Mongole Hoshoryu, Großmeister seit Januar, den Japaner Onosato besiegte. Dieser gewann bei dem Turnier jedoch insgesamt mehr Kämpfe und nahm daher den Kaiserpokal mit nach Hause. Erst danach kürte man ihn zum 75. Yokozuna.

Die neue Konstellation von zwei Großmeistern, einem Ausländer und einem Lokalmatador, könnte laut Fans und Experten eine neue Ära im Sumo einläuten. Eine neue Generation von Ringern (sumotori) tritt an. Hoshoryu wurde gerade 26 Jahre alt, Onosato 25. Wenn sie sich nicht verletzen, was im Sumo durch die schnellen und brutalen Bewegungen großer Körpermassen leicht passieren kann, könnten sie noch lange aktiv bleiben.

Zugleich zeichnet sich das Ende der mongolischen Vorherrschaft in Japans Nationalsport ab. Onosato ist in diesem Jahrhundert erst der zweite Großmeister japanischer Abstammung. Der andere, Kisenosato, der heutige Trainer von Onosato, zog sich 2019 nach einer Verletzung nach nur zwei Jahren zurück.

Der traditionsreiche Sport hat die Jahre mit Skandalen über manipulierte Kämpfe, illegale Wetten, Verbindungen zum organisierten Verbrechen und Drogenkonsum hinter sich gelassen. Vieles deutet auf eine neue Blüte hin: Die sechs natio­nalen Turniere sind seit dem Ende der Pandemie stets ausverkauft, das Fernsehen überträgt wieder live, Unternehmen drängen sich als Werbepartner auf. Im Oktober treten 40 Profi-Ringer in London beim ersten Auslandsturnier seit 20 Jahren an. Der irische Sumo-Experte John Gunning, selbst ein Amateur-Sumotori, sagt dem Sport ein „goldenes Zeitalter“ voraus.

Shitno, Shinto

Onosatos mögliche Dominanz erfreut viele Japaner. Die Sumo-Tradition reicht weit zurück. Bereits Japans ältester Text aus dem 8. Jahrhundert beschreibt einen Ringkampf zwischen Göttern. Sumo entwickelte sich während der Edo-Zeit in den Shinto-Schreinen zu einem professionellen Sport. Der religiöse Ursprung erklärt Rituale wie das Reinigen des Rings mit Salz und das Verbot für Frauen, den Ring zu betreten. Im Shinto gelten Frauen wegen ihrer Monatsblutung als unrein.

Am Ende des 19. Jahrhunderts, beim Aufbau eines Nationalstaats, nutzte man Sumo, um die japanische Identität gegenüber importierten Sportarten wie Baseball zu betonen. Deshalb hielt man an traditionellen Ritualen und historischen Kostümen fest. Jeder Stall darf nur einen Ringer aus dem Ausland haben.

Der Hype um Onosato in der japanischen Sportpresse rührt aber daher, dass der neue Champion bereits Sumo-Geschichte schrieb: Er erkämpfte sich das weiße Bauchseil (tsuna) eines Yokozuna schneller als jeder andere Ringer im modernen Sumo seit 1909, mit vier Kaiserpokalen in nur neun Großturnieren. Seit seinem Aufstieg in die Profiliga vor anderthalb Jahren gewann er 82 Prozent seiner Kämpfe, eine unglaubliche Leistung für einen Neuling. Der Absolvent der Nippon Sport Science University ist zudem der erste Großmeister, der zuvor Amateur-Yokozuna, Weltmeister und Sieger des Nationalen Sportfests war.

Onosato will sich damit nicht begnügen: „Ich werde fleißig sein und ein einzigartiger Yokozuna werden“, versprach er nach seiner Beförderung. Mit 1,92 Metern ist er größer als der durchschnittliche Sumotori und wiegt 191 Kilogramm, deutlich mehr als die schlankeren Mongolen. Bei seiner Kampftechnik übt er mit seinem kräftigen Körper Druck aus und greift mit der rechten Hand an, während er mit der linken Hand den Gegner festhält und nach vorne aus dem Ring drängt. Sein Yokozuna-Rivale Hoshoryu wiegt 40 Kilogramm weniger, aber im Sumo gibt es keine Gewichtsklassen. Der Neffe von Großmeister Asashoryu aus der Mongolei bevorzugt Wurftechniken und spezialisiert sich auf den Außen-Beinhaken, um den Gegner auf den gestampften Lehmboden oder aus dem Ring zu schicken.

Stallgerüche

Das heißt nicht, dass es keine dunklen Wolken am Sumo-Himmel gibt. Der Mongole Hakuho, der mit 45 Kaiserpokalen der erfolgreichste Yokozuna aller Zeiten ist, hat gerade die traditionelle Sumo-Welt verlassen. Der 40-Jährige nahm extra die japanische Staatsangehörigkeit an, um einen eigenen Stall führen zu können. Nachdem jedoch einer seiner Ringer jüngere Stallmitglieder über längere Zeit misshandelte, degradierte der Verband Hakuho und schloss seinen Stall auf unbestimmte Zeit. Unabhängige Beobachter bewerteten diese Strafen als übertrieben hart. Hakuho fiel es wohl schwer, sich nach 14 Jahren als Großmeister in der Sumo-Hierarchie wieder ganz unten einzuordnen.

Sein Austritt stellt einen erheblichen Verlust für das traditionelle Sumo dar. Er war ein großes Vorbild für junge Talente in der Mongolei und organisierte den Hakuho Cup, das wichtigste Sumo-Turnier der Welt für Grund- und Mittelschüler. Der japanische Verband stellte ihm dafür die Arena Kokugikan in Tokio zur Verfügung. Nun plant Hakuho, einen „World Sumo Grand Slam“ zu etablieren, und hofft auf Sponsoren aus Japan. Ähnliche Ankündigungen machten aber schon andere Ex-Großmeister nach dem Ende ihrer Karriere. Seine Verbindung zur alten Sumowelt ist nicht vollständig gekappt. Am Wochenende wählte der Sumo-Verband Akio Toyoda zum Vorsitzenden. Der oberste Toyota-Chef ist ein enger Freund von Hakuho.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!