Standbild: Summa Technologiae
■ "Menschen und Mächte", So., 21 Uhr, N3
Der Pole Stanislaw Lem ist zweifellos die Figur in der Science- fiction. Wer in einer Wirtshausdiskussion schon vorher dadurch aufgefallen ist, daß er auf der Schreibweise „Sience Fiction“ beharrt und Lem mit Isaac Asimov und Ray Bradbury in einem Atemzug nennt, gibt sich als jemand zu erkennen, der nicht liest, sondern nur Buchstaben verschlingt. Als ob man Alfred Hitchcock mit Edgar Wallace vergleicht. Wer statt dessen J. G. Ballard und Philipp K. Dick aufführt, demonstriert zwar eine gewisse Sachkenntnis, aber noch lange kein Wissen über das mittlerweile 39 Bücher umfassende Werk des bekanntesten polnischen Autoren, der in 30 Sprachen übersetzt ist.
Ingo Helm hat sich der reizvollen Aufgabe angenommen, ein Porträt von Lem zu entwerfen. Auf einem Sendeplatz im Dritten Programm konnte man zwar auf einen analytischen, faktenzentrierten Film hoffen, doch der Autor hatte offenkundig nicht die Muße, sich in das Werk Lems wenigstens ein bißchen einzuarbeiten.
So erfahren wir eigentlich wenig über den Hintergrund des 71 Jahre alten Arztes, der erst Automechaniker, dann Schriftsteller und daraufhin (Hobby-)Philosoph und Querdenker mit einer Weltauflage von weit über zehn Millionen wurde. Aber es gibt ja Bücher.
Von den über ein Dutzend zählenden Film-Adaptionen wurden nur zwei zitiert. Und das, obwohl das Zitieren von Literaturverfilmungen ein Rettungsanker zur Darstellung von Literatur im Fernsehen ist. Obwohl Tarkowskis „Solaris“ von Lem selbst nicht geschätzt wird, hätte man mit Ausschnitten zentrale Lemsche Erzählfiguren über sein Thema der Fremdheit illustrieren können. Es wurde ferner kein Überblick über die wichtigsten literarischen Figuren, die Erzählstile sowie die vielfältigen Erzählformen gegeben. Und die verschiedenen Genres, in denen er gearbeitet hat (außer dem Gedicht hat er sich in jeder Form versucht), blieben ebenfalls unerwähnt.
Wenn man — was für sich genommen lobenswert ist — aus der weniger bekannten Lem-Schrift „Imaginäre Größe“ zitiert — was hätte es denn für einen Aufwand bereitet, in einem Nebensatz einzuflechten, daß Lem stets an der Weiterentwicklung der außer ihm miserablen phantastischen Literatur interessiert war?
Lem wurde als „Denker seiner Zeit“ angekündigt, doch die Erwähnung seiner theoretischen Hauptwerke „Summa Technologiae“ und „Phantastik und Futurologie“ blieben dem Zuschauer schlicht vorenthalten.
Statt dessen hören wir zweimal die Stereotype, daß Lem „im Spiegel des utopischen Romans ein Zerrbild unserer Gesellschaft“ zeichnet. Ein Satz, der über fast jeden Autoren der Sience-fiction geschrieben wurde. Insgesamt kein ausgesprochen mißlungener Film, aber schon ein wenig ziemlich halbwegs enttäuschend. Manfred Riepe
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