Suizid von Jean-Luc Godard: Aktiv bis zum letzten Atemzug
Der französische Regisseur hat den in der Schweiz legalen Weg zum assistierten Suizid in Anspruch genommen. Das bestätigen Angehörige und Berater.
Godards Frau Anne-Marie Miéville und seine Produzenten hätten zuvor erklärt, dass er „friedlich in seinem Haus, umgeben von seinen Lieben“ in Rolle am Ufer des Genfersees gestorben sei, berichtet die Liberation. „Er war nicht krank, er war einfach nur erschöpft“, habe ein Angehöriger der Familie ergänzt. „Also traf er die Entscheidung, es zu beenden. Es war seine Entscheidung und es war ihm wichtig, dass sie bekannt wurde.“ Eine weitere dem Filmemacher nahestehende Person habe diese Information bestätigt.
In der Schweiz, wo Godard seit mehreren Jahrzehnten lebte, ist die Beihilfe zum Suizid legal, bei der der Patient selbst eine tödliche Dosis Medikamente einnimmt. Laut Gesetz ist es zwar strafbar, jemandem „aus selbstsüchtigen Beweggründen“ bei der Selbsttötung zu helfen. Wird dem Helfer jedoch kein solcher Beweggrund nachgewiesen, bleibt er straffrei. Organisationen wie „Exit“ und „Dignitas“ bieten Beihilfe zum Suizid als eine Art Dienstleistung an. Aktive Sterbehilfe ist hingegen auch in der Schweiz verboten.
Auch in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Spanien ist Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen legal. Zufällig war sie in Frankreich am Dienstag ein großes Thema, da der Ethikrat sich erstmals vorsichtig für aktive Sterbehilfe unter strengen Auflagen ausgesprochen hatte. Präsident Emmanuel Macron kündigte eine gesellschaftliche Debatte dazu an, die im kommenden Jahr in ein neues Gesetz münden könnte.
In Deutschland wird derzeit über eine Gesetzesnovelle diskutiert. Ende Juni waren im Bundestag drei fraktionsübergreifende Entwürfe ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht und in erster Lesung debattiert worden. Die Entwürfe werden in den Bundestagsausschüssen weiter beraten. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der „geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung“ gekippt.
Der Regisseur hatte in den 50er und 60er Jahren als Mitbegründer der Nouvelle Vague das Kino geprägt. Sein Film „Außer Atem“ war stilbildend. Godard starb am Dienstag im Alter von 91 Jahren.
Libération erinnerte in ihrem Bericht daran, dass Godard schon vor Jahren öffentlich über die Möglichkeit eines Freitodes gesprochen habe. Während einer Pressekonferenz bei den Fimfestspielen in Cannes 2014 habe Godard gesagt, wenn er zu krank sei, wolle er „nicht in einer Schubkarre gezogen werden“. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, den in der Schweiz legalen, assistierten Suizid zu wählen, habe er mit „Ja“ geantwortet, auch wenn ihm das im Moment noch sehr schwerfalle.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut