Südosttürkische Stadt Cizre: Ausgangssperre gelockert
Mit vollbeladenen Autos kehren Bewohner in die zerstörte Stadt zurück. Tagsüber dürfen sie sich nun freier bewegen als zuvor.
In Diyarbakir wurden bei einer Explosion ein mutmaßlicher Attentäter getötet sowie vier Kinder verletzt, wie die Stadtregierung mitteilte. Die Behörden gehen davon aus, dass der Sprengsatz ungewollt hochging, als der Mann mit der Bombe unterwegs war. Der mutmaßliche Attentäter sei früher wegen Verbindungen zu kurdischen Rebellen festgenommen worden, hieß es.
Im Stadtteil Sur, einem historischen Distrikt von Diyarbakir, blieb die Ausgangssperre weiter bestehen – dort und auch in der Kleinstadt Idil 30 Kilometer von Cizre entfernt setzten die türkischen Sicherheitskräfte ihren Einsatz gegen Rebellen mit Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK fort. Nach dem Scheitern eines ohnehin fragilen Friedensprozess waren die Kämpfe im Juli 2015 wieder aufgeflammt.
In Cizre an der Grenze zu Syrien und dem Irak leben rund 132.000 Menschen. Ankara hatte im Dezember dort und in anderen vorwiegend kurdischen Städten und Bezirken Ausgangssperren verhängt, während Sicherheitskräfte gegen die PKK kämpften. Die jetzt erfolgte Lockerung der Ausgangssperre gilt nur tagsüber. Zwischen 19.30 Uhr und 5.00 Uhr morgens müssen Anwohner in ihren Häusern bleiben.
Haus von Kugeln durchlöchert
Erste Einwohner kehrten in die Stadt zurück, ihre Autos beladen mit Habseligkeiten, die sie bei ihrer Flucht gerettet hatten. Polizei und Armee überwachten an Kontrollposten die Einfahrt in die Stadt und überprüften die Ausweise der Rückkehrer, Taschen sowie Kofferräume der Autos.
Seine Familie habe die Stadt 20 Tage nach Beginn der Militäroffensive verlassen, weil der Beschuss und die Kämpfe zu heftig geworden seien, erzählt ein Anwohner, der mit seinen sieben Kindern zurückkehrte. Er habe bereits gesehen, dass sein Haus in großem Maß zerstört worden sei. „Die oberste Etage ist von Kugeln durchlöchert“, sagte er der Nachrichtenagentur AP.
Hasim Kalkan, ein andere Anwohner von Cizre, gab sich mutlos: „Wir sind nicht glücklich. Wir kehren augenscheinlich nach Hause zurück, aber wir sind nicht einmal sicher, dass wir noch ein Zuhause haben“.
Amnesty International kritisierte die Ausgangssperre als „kollektive Bestrafung“. Andere Menschenrechtsgruppen zeigten sich besorgt über die große Zahl ziviler Opfer während der Kämpfe. Mindestens 92 seien allein in Cizre getötet worden. Die Polizei ihrerseits erklärte, das Ausgehverbot habe nicht sofort nach dem Ende des Militäreinsatzes am 11. Februar aufgehoben werden können. Eine große Menge Sprengstoff habe zunächst geräumt werden müssen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!