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Südkoreas Knäste sind tabu für Ausländer

US-Menschenrechtsgruppe darf Dissidenten nicht besuchen/ Die Haftbedingungen von Zehntausenden von Gefangenen lassen zu wünschen übrig/ Politische Gefangene sitzen meist in Einzelhaft/ Den Frauen geht es in den Knästen besonders schlimm  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Nervös und verlegen kneift der Gefängnisbeamte die Augen hinter seiner dicken Brille immer wieder zu. „Die Vorschriften dieser Institution lassen es nicht zu, daß Fremde Häftlinge besuchen“, sagt er. Wir sind in der südkoreanischen Strafvollzugsanstalt von Hongsung, gut 100 Kilometer südwestlich von Seoul. In dem Gefängnis, noch eines der besseren Einrichtungen, verbüßen derzeit 600 Männer und 15 Frauen ihre Haftstrafen. Zehn gelten als politische Gefangene, darunter der bekannte Dissident Kim Kun Tae, mit dem eine US-Menschenrechtsgruppe sprechen will.

Daß die südkoreanischen Offiziellen der Delegation und Journalisten überhaupt Zutritt auf das Gelände der Anstalt gestatten, grenzt schon fast ein ein kleines Wunder. Denn Gefängnisse in Südkorea sind alles andere als Vorzeigeobjekte eines vorbildlichen Strafvollzugs. Was sich hinter ihren hohen Mauern abspielt, ist für die Öffentlichkeit tabu.

Nach mehrmaligen Bitten dürfen die Menschenrechtler schließlich beim Gefängnisdirektor vorsprechen — ausgeschlossen werden die Journalisten. Doch Pyong Do Bae bleibt hart: „Wenn ich es zulasse, daß Sie mit Kim Kun Tae sprechen, bin ich meinen Job los“, meint er. Nicht einmal einen kurzen Geburtstagsgruß dürfen sie dem Gefangenen übermitteln.

Die gut sechs Meter hohe Gefängnismauer in Hongsung, weiß getüncht und halb verwaschen, bleibt für die neugierigen Westler jedenfalls dicht. Nur in die Besucherzellen, die eher aussehen wie ein öffentlicher Abort, können wir einen Blick werfen. Über den Türen hängen träumerische Fotos vom Badestrand und dem malerischen Sorak-Gebirge. Wie schön Korea doch ist! Draußen ist Wachabwechslung: „Sei loyal zum Vaterland!“, ertönen die militärischen Schreie der Wärter, die im Gleichschritt an uns vorbeimarschieren.

Politische Gefangene in Südkorea, obwohl als solche offiziell nicht anerkannt, sitzen meist in Einzelhaft, während andere zu dritt oder viert Zellen teilen müssen, die nicht größer als sieben Quadratmeter sind. „Auf meinen Mann“, sagt In Gae Keun über Kim Kun Tae, „passen die Wärter tausendmal besser auf, als auf die anderen Gefangenen, damit ihm nichts geschieht.“ Vor sechs Jahren war der Dissident in Untersuchungshaft schwer gefoltert worden, wodurch Regierung und Polizei in Verlegenheit gerieten. Einer der Folterer befindet sich heute noch auf der Flucht und kann angeblich nicht gefunden werden. An einer Vorzugsbehandlung bekannter Dissidenten scheint der südkoreanischen Regierung jedenfalls gelegen. Aber das macht deren Situation keineswegs leichter. Im Soo Kyong, eine junge Studentin, die vor drei Jahren illegal nach Nordkorea reiste und dafür mit fünf Jahren Haft bestraft wurde, schreibt in einem Brief aus dem Congju-Frauengefängnis: „Unter den Gefangenen wird eine immer wieder geschlagen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn mir andere Frauen heimlich ihre Klagen und Bitten zustecken. Ich habe doch überhaupt keine Möglichkeit, ihnen zu helfen, sie aber glauben es; ich bin so unendlich machtlos.“

In Südkorea erfährt die Öffentlichkeit so gut wie gar nichts über Haftbedingungen. Das Seouler Justizministerium will nicht einmal die Gesamtzahl der Häftlinge bekanntgeben. Angewiesen ist man somit auf jene, die die Anstalten von „innen“ kennen. Gewalt und Folter als Strafaktionen seien im Vollzug, anders als in Untersuchungshaft, eher eine Ausnahme, meinen die meisten.

Aber der Nationale Kirchenrat in Seoul (NCCK) beklagt auch dies und nennt eine Reihe von Fällen, in welchen Menschenrechte in Gefängnissen grob mißachtet wurden. So geschehen, meint jedenfalls der NCCK, im Gefängnis von Masan, wo Lee Jae Ku von der verbotenen Lehrergewerkschaft 1990 durch Folter ernsthaft verletzt wurde. Doch vorliegende Informationen sind mehr als lückenhaft, und solche Vorwürfe werden von Gefängnisleitung oder Justizministerium zurückgewiesen. Gegenwärtig sollen in Südkorea nach Angaben des NCCK schätzungsweise 50.000 Menschen in 30 verschiedenen Haftanstalten einsitzen. Jährlich werden rund 3.000 Frauen wegen verschiedener Delikte mit Gefängnisstrafen verurteilt, und deren Situation im Strafvollzug, glaubt die Pastorin Kim Chong Hi, ist weit schlimmer als die von Männern.

Denn sie würden nicht nur einfach von der Gesellschaft ausgesperrt oder in der Haft schlecht behandelt. Viel gravierender sei, daß die Frauen von ihren Familien völlig im Stich gelassen würden. Nicht selten werde ihre Existenz sogar ganz geleugnet, weil sie ihre traditionelle Rolle nicht erfüllten und den Ruf der Familie zerstörten, meint Kim, die vor einiger Zeit das „House of Early Dawn“, eine Aufnahmestätte für aus der Haft entlassene Frauen, gründete.

Auch die konkreten Haftbedingungen sind oft alles andere als menschenwürdig, wissen Diplomaten zu berichten. Kleine und überfüllte Zellen, erzwungene Homosexualität zwischen Gefangenen, nicht ausreichende Kleidung und eine schlechte Beheizung sind dabei die häufigsten Klagen.

In den Büroräumen des Gefängnisses von Hongsung wimmelt es immer noch von gelangweilten Sicherheitsleuten in Zivil. Einige der Aufpasser dösen oder schlafen und warten darauf, daß die hartnäckigen Besucher endlich abziehen. Jeder hat seine Rolle heute perfekt gespielt — freundlich, aber hart bleiben, hieß schließlich die offizielle Direktive von oben. Die Gruppe beendet ihren geplanten Gefangenenbesuch in Hongsung schließlich mit einem Gefühl tiefer Unzufriedenheit. Die Worte Kims waren da vermutlich nur wenig Trost: „Ich bin frustriert, aber doch sehr stolz darauf, daß sie gekommen sind“, ließ der Dissident über seine Frau an alle ausrichten.

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