■ Südkorea: Regierung bietet Streikenden TV-Debatte an: Tele- statt Demokratie
Die Regierung Südkoreas hat den Streikenden eine Fernsehdebatte über das neue Arbeitsgesetz angeboten. Damit hat sich die Regierung von Präsident Kim Young Sam erstmals bewegt. Die Regierung räumt Erklärungsbedarf für ihre heimlich vor Weihnachten verabschiedeten Arbeits- und Geheimdienstgesetze ein, einen Diskussionsbedarf verneint sie nach wie vor vehement. Bisher hatte die Regierung stur darauf gesetzt, daß die Proteste schnell wieder abflauen würden. Im Hinblick auf die parlamentarische Opposition behielt die Regierung auch recht. Die Protestaktionen der zumeist konservativen Oppositionspolitiker haben die Jahreswende nicht überdauert. Dies hatte Präsident Kim auch von den Streiks der Arbeiter und Angestellten erwartet. Den restlichen Widerstand sollten dann die Sicherheitskräfte brechen.
Doch nach kurzer Silvesterpause gingen die Streiks unvermindert weiter. Sie sind kein Strohfeuer, sondern erweisen sich als strategisch wohl dosiert und auf lange Dauer angelegt. Meinte die Regierung, keine Gesprächsbereitschaft zeigen zu müssen und den Gewerkschaftsführern mit Verhaftung drohen zu können, so hat der zunehmende Druck sie inzwischen eines besseren belehrt.
Direkte wirtschaftliche Verluste von über 2 Milliarden US-Dollar, sinkende Börsenkurse, zunehmende Gewalttätigkeiten sowie wachsender internationaler Druck haben die Regierung jetzt ein Angebot machen lassen. Per Fernsehdebatte will sie jetzt den Gewerkschaften das Arbeitsgesetz „erklären", ohne in der Sache nachzugeben.
Doch die Streiks beruhen nicht auf Mißverständnissen der Arbeiter, wie die Regierung vorgibt. Abgesehen davon, daß die neuen Gesetze zu Recht umstritten sind, ignoriert die Regierung, daß wer wirtschaftliche Opfer ohne Mitbestimmung der Betroffenen fordert, diesen nur die Wahl des Widerstands läßt. Durch das Hintergehen der Opposition hat die Regierung demokratische Entscheidungsprozesse ausgehebelt.
Das Angebot einer Fernsehdebatte setzt diese nicht wieder in Kraft, sondern zeigt nur, daß die Regierung sich verstärkt Sorgen um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit macht. Der Konflikt wird so auf ein Vermittlungsproblem reduziert, die demokratischen Defizite des Entscheidungsprozesses nicht behoben. Die Gewerkschaften tun deshalb gut daran, weiter für eine echte Mitbestimmung zu kämpfen. Sven Hansen
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