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Südafrikas Wahlkampf fängt blutig an

Nach dem Mord an einem prominenten Lokalpolitiker und verhaßten „Warlord“ werden in der Krisenprovinz KwaZulu/Natal elf Menschen erschossen. Politiker warnen vor einer Eskalation  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Gewalt überschattet den Auftakt zu Südafrikas zweitem demokratischen Wahlkampf. In dem kleinen Ort Richmond, in den sogenannten Midlands der Provinz KwaZulu/Natal, wurden in der Nacht zu Sonntag elf Menschen erschossen und sieben verletzt. Zuvor war am Samstag morgen ein prominenter Lokalpolitiker und früheres ANC-Mitglied ermordet worden.

Nach dem Besuch eines Supermarkts wurde der Generalsekretär der „Vereinigten Demokratischen Bewegung“ (UDM), Sifiso Nkabinde, von drei Unbekannten in seinem Auto erschossen und sein Leibwächter sowie dessen Mutter schwer verletzt. Allein in Nkabindes Brust wurden 23 Kugeln gefunden, sein BMW war stellenweise förmlich durchsiebt. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur. Doch es gibt viele Leute, die Grund hatten, Nkabinde zu hassen. Der Mord war höchstwahrscheinlich ein Racheakt.

Der 37jährige galt als brutaler „Warlord“, der eine zentrale Rolle in den seit Mitte der achtziger Jahre tobenden bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen in der Provinz gespielt hatte. Neben seinem Kontrahenten David Thombela von der Inkatha-Freiheitspartei (IFP) war Nkabinde einer der gefürchtetsten Männer in Natal. Beide sollen Todesschwadronen ausgebildet haben. Tausende kamen in den Midlands ums Leben.

Nach den ersten demokratischen Wahlen 1994 kehrte Ruhe ein, die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten ging auch am Indischen Ozean drastisch zurück. KwaZulu/Natal allerdings ist außer dem Westkap die einzige Provinz, in der der ANC keinen Wahlsieg erringen konnte. Die Provinz fiel an die IFP und wird seither von einer Koalition regiert.

In Richmond, Nkabindes Heimatgegend, blieb die Lage indessen gespannt. 1997 wurde der unberechenbare Politiker auch für den ANC untragbar: Die Partei warf ihn wegen Spionageverdachts hinaus. Schon ein Jahr vorher war er wegen sechzehnfachen Mordes angeklagt worden und untergetaucht. Im April vergangenen Jahres schließlich wurde er in allen Punkten der Anklage freigesprochen, Ermittlungsbehörden und Justiz im demokratischen Südafrika hatten einmal mehr versagt. Nach seiner Rückkehr nach Richmond nahmen die Spannungen zwischen ANC und UDM zu, politische Morde häuften sich wieder.

ANC und UDM streiten dort nun wie früher ANC und IFP um die politische Hegemonie. Längst nicht alle Übertritte in die UDM dürften ganz freiwillig erfolgt sein. Die 1997 gegründete Sammelbewegung aller Unzufriedenen ist die erste Partei in Südafrika, die bewußt versucht, die Rassengrenzen innerhalb der eigenen Reihen zu überwinden. Ihre Vorsitzenden sind keine Unbekannten: Bantu Holomisa, einst Militärherrscher des Homelands Transkei und später Minister im Kabinett von Nelson Mandela, und Roelf Meyer von der Nationalen Partei, einst Chefunterhändler in den Verhandlungen über den demokratischen Wechsel und nach 1994 Kabinettsmitglied. Enttäuschten in den beiden größten Parteien Südafrikas galt die UDM durchaus als Hoffnungsträger. Spätestens, seitdem Nkabinde zum Generalsekretär avancierte, wurde die neue Partei jedoch für viele untragbar.

Nicht nur in Richmond wird nun befürchtet, daß der Wahlkampf die Gewalt in KwaZulu/Natal wieder anfacht. Zwischen Mai und Juli diesen Jahres müssen in Südafrika das Parlament und der Präsident neu gewählt werden; zeitgleich sollen auch Wahlen in den neun Provinzen stattfinden. Politiker aller Parteien verurteilten den Mord an Nkabinde einmütig und warnten vor einer Eskalation.

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