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Südafrika amnestiert illegale SimbabwerPapiere oder raus

Mehr als zwei Millionen Simbabwer leben in Südafrika - meistens ohne Papiere. Bis zum Freitag können sie ihre Legalisierung beantragen. Doch die Schlangen sind lang.

Mit Geld lässt sich die Wartezeit in den Schlangen schnell verkürzen. Bild: reuters

JOHANNESBURG taz | Lovemore Chiyago hebt den großen roten Santa Claus aus Perlendraht hoch, doch die eiligen Käufer am Eingang des Supermarktes im Johannesburger Wohnviertel Parkview entscheiden sich für das kleine Rentier und den goldenen Engel. Sie wollen schnell noch ein Mitbringsel für die Poolparty der Freunde.

Die einträglichen Tage bis zum Jahreswechsel sehen für Lovemore eher trüb aus, der gebürtige Simbabwer bangt um seine Aufenthaltsgenehmigung in Südafrika. Seine Familie zuhause will er deshalb in diesem Jahr nicht besuchen. Zwar hat das südafrikanische Innenministerium eine Kampagne gestartet, im Land lebende Simbabwer mit einer legalen Aufenthaltsgenehmigung auszustatten, und dieser Prozess läuft auch auf Hochtouren, dennoch schreitet die Bürokratie nur langsam voran.

Das macht den Simbabwern im Land Angst. Ihre Antragsfrist endet am 31. Dezember. Wenn sie bis dahin keinen legalen Status haben, droht ihnen die Abschiebung.

Bereits im September hatten die südafrikanischen Behörden alle in Südafrika lebenden Simbabwer aufgerufen, sich registrieren zu lassen. Seit dem politischen und wirtschaftlichen Zerfall des Nachbarlandes leben zwischen 2 und 3 Millionen Simbabwer in Südafrika, die meisten illegal. Bei Südafrikanern sind sie - wie alle anderen afrikanischen Migranten - nicht sehr beliebt, sie stehlen angeblich den Einheimischen Jobs und belasten das Sozialsystem. Für die Simbabwer jedoch bedeutet der Aufenthalt im Nachbarland Überleben und die Hoffnung, eines Tages mit etwas angespartem Geld in ihre Heimat zurückzukehren.

Lovemore stand schon um fünf Uhr morgens in der Innenstadt bei der Ausländerbehörde vor der Tür. "Viele übernachten dort, die Warteschlangen sind lang." Lovemore zog die Nummer 76 und hoffte, seinen Antrag auf Daueraufenthalt noch am gleichen Tag einreichen zu können. "Ich kam erst am nächsten Tag gegen Mittag dran", ärgert sich der freundliche Mittdreißiger aus dem ländlichen Bindura in Simbabwe.

Es gebe Landsleute, die nach ihm ihre Papiere eingereicht haben, aber bereits die Aufenthaltserlaubnis in den Händen hielten. "Die haben eben einiges Geld rübergeschoben", weiß Lovemore. Er zeigt eine SMS auf seinem Handy - die Bestätigung für die Einreichung seines Antrags. Das war am 13. Oktober.

Simbabwe

Die Bevölkerung: Simbabwes Einwohnerzahl ist nach US-Schätzungen zwischen 2004 und 2010 von 12,7 auf 11,7 Millionen Menschen gesunken. Rund 3 Millionen Simbabwer sind in den letzten zehn Jahren ausgewandert, zumeist nach Südafrika, darunter die Mehrheit der gutausgebildeten Mittelschicht. Die Gründe: Wirtschaftskollaps und Hyperinflation seit Beginn der Enteignung "weißer" Farmen im Jahr 2000 sowie die Verfolgung politischer Gegner durch das Regime von Präsident Robert Mugabe im Umfeld der von Fälschungen, Einschüchterung und Gewalt begleiteten Wahlen.

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Die Regierung: Seit 2009 amtiert in Simbabwe eine Regierung der Nationalen Einheit unter Robert Mugabe, mit Oppositionsführer Morgan Tsvangirai als Premierminister. Ein Referendum über eine neue Verfassung und Neuwahlen sind für 2011 vorgesehen. Doch die neue Verfassung ist umstritten und Simbabwes Opposition verlangt Sicherheitsgarantien vor Neuwahlen.

Gekaufte Papiere

Der junge Simbabwer verkauft seit Jahren in Parkview Postkarten, und weil das Geschäft immer schlechter lief, hat er sich zusätzlich noch auf das Angebot von gebastelten Tieren und allerhand Gegenständen aus Draht verlegt. Jeder, der in der Hauptstraße des Wohnviertels einkaufen geht, kennt ihn. Inzwischen hat sich dort eine kleine Gemeinde aus Simbabwe und anderen westafrikanischen Ländern versammelt, eine ältere Frau verkauft Batiken aus Simbabwe, Kongolesen arbeiten als Parkwächter.

Lovemore winkt Mike heran. Der junge Mann lehnt sein Fahrrad an. "Mein Kollege hier hat einen Deal gemacht", lacht Lovemore. Mike Ngwenga stammt aus Bulawayo. Der 23-Jährige arbeitet auf dem Bau und ist seit fünf Jahren in Johannesburg. Er war die Angst leid, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Er besitzt weder einen simbabwischen Pass noch eine gültige Aufenthaltsgenehmigung für Südafrika. Stattdessen "kaufte" sich Mike - wie viele andere auch - gültige südafrikanische Papiere.

"Das war ganz einfach", sagt der hochgewachsene, schlanke Mann. "Ich habe bei der Behörde gefragt, ob mir jemand helfen kann, und der Angestellte hat einen Preis genannt." So erhielt Mike für umgerechnet rund 300 Euro die südafrikanische Aufenthaltsgenehmigung. Er hat sich trotzdem entschlossen, diese Papiere einzureichen, um einen simbabwischen Pass und damit legalen Aufenthalt in Südafrika zu erhalten.

Die Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma hat nämlich auch denjenigen eine Amnestie versprochen, die illegal einen südafrikanischen Pass oder Aufenthaltspapiere erworben haben. Leute wie Mike. Sie müssen ihre gefälschten Dokumente abgeben und sollen nicht bestraft werden. Von diesem Angebot will Mike Gebrauch machen, denn er ist schon öfter von der Polizei angehalten worden.

Trotz der Papiere würden Polizisten gern kleine "Sprachtests" anstellen, berichtet er. "Ich kann zwar Zulu, die in Südafrika meistgesprochene Sprache, aber wenn sie andere Sprachen abfragen, fliege ich auf." Das ist mehrfach passiert. Zudem ist die Impfnarbe am Oberarm bei Simbabwern anders als bei Südafrikanern, das ist ein weiteres Erkennungsmerkmal, erklärt Lovemore. Mike landete im Lager Lindela und wurde abgeschoben.

Doch der Strom illegaler Migranten, die regelmäßig zwischen den beiden Ländern verkehren, ist groß. Schmiergelder bringen sie überallhin, meistens in Minibussen nach Johannesburg. Auch Mike schaffte es nach Südafrika zurück. Wie die meisten Simbabwer hat er Familie zuhause, Eltern und drei Geschwister, die er von Südafrika aus ernähren muss. "Der Druck ist groß. Ich kann mir gar keine Frau nehmen, denn dann reicht es nicht mehr für die Unterstützung der Familie in Simbabwe." Jeden Monat schickt Mike circa 150 Euro nach Bulawayo.

Simbabwer sind in Südafrika bei Restaurantbesitzern, auf dem Bau oder auch als Gärtner beliebt, sie sprechen gut Englisch und arbeiten hart, heißt es. Wie Mike kommen viele vom Land und haben nie einen Pass in ihrer Heimat beantragt, der ungefähr 70 Euro kostet und mit langen Anfahrtswegen zu den Behörden verbunden ist. Also kommen sie illegal nach Südafrika, um dem politischen Stillstand und der Wirtschaftskrise in ihrem Land zu entkommen. Oder nutzen die vor einiger Zeit erleichterten Bedingungen, sich 90 Tage in Südafrika aufhalten zu dürfen.

Lovemore hat eine solche vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Spätestens alle 90 Tage reist er wieder über die Grenze, um die Aufenthaltsgenehmigung zu erneuern. Aber jetzt bleiben er wie auch Mike lieber während der Festtage in Johannesburg und warten auf Antwort von den Behörden. Sie sorgen sich, was nach Ablauf der Frist im neuen Jahr passieren wird. "Die südafrikanische Polizei macht gern Jagd auf Ausländer", sagt Mike. Er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut, sieht aber keinen anderen Weg, als abzuwarten.

Keine Fristverlängerung

Innenministerin Dlamini-Zuma versicherte noch am 27. Dezember, es werde nicht zu sofortigen Abschiebungen kommen, wenn Simbabwer noch keine gültigen Papiere besitzen. Trotzdem werde die Abgabefrist am 31. Dezember auf keinen Fall verlängert. Die Ministerin gibt zu, dass der Prozess der Regulierung weit bis ins neue Jahr dauern kann.

Wer noch nicht einmal einen simbabwischen Pass oder Ausweis besitzt, darf, wie Mike, auch einen Antrag stellen: Die südafrikanischen Behörden sollen dann mit den simbabwischen Behörden zusammenarbeiten und die Anträge nach Simbabwe schicken. "Erst wenn dieser Prozess in beiden Ländern abgewickelt ist, einschließlich der Ausstellung der Pässe durch die Regierung in Simbabwe, beginnen wir mit der Abschiebung von Simbabwern, die sich illegal in Südafrika aufhalten", so Dlamini-Zuma.

Bisher hat das Ministerium nach offiziellen Angaben 128.500 Anträge erhalten. Davon sind etwa 43.100 bearbeitet und rund 32.250 genehmigt worden. Bei mehr als 2 Millionen Simbabwern, die in Südafrika leben, steht da noch viel Arbeit ins Haus. Innenministerin Dlamini-Zuma behauptet, alle Simbabwer legalisieren zu wollen, die den Abgabetermin 31. Dezember einhalten. Auch Eigentumsbesitz - mit falschen Dokumenten erstanden - werde legalisiert. Die Behörde soll während der jetzigen Sommerferien durcharbeiten, und die Simbabwer stehen Schlange.

Unabhängige Migrantenorganisationen kritisieren jedoch die Vorgehensweise des Innenministeriums: Verschiedene Behörden hätten unterschiedliche Anforderungen, meint Kaajal Ramjathan-Keogh, Vorsitzender des Konsortiums für Flüchtlinge und Migranten in Südafrika. Loren Landau, Direktor des Afrikanischen Zentrums für Migration und Gesellschaft (ACMS), meint, die Abgabefrist sei unrealistisch. Er glaubt, dass nur ein Teil der Anträge auch eine Arbeits- oder Geschäftsgenehmigung enthalten werden.

Das ACMS bezweifelt die guten Absichten der südafrikanischen Regierung. "Es scheint sich eher um ein kosmetisches Verfahren zu handeln, um neue Verhaftungen und Abschiebungen zu rechtfertigen", so der Mitarbeiter Roni Amit.

Lovemore und Mike bleibt nichts anderes übrig, als die Entwicklung abzuwarten. "Die Papiere sind für mich wichtig, ich kann sonst kein Konto eröffnen und lebe ständig in Sorge wegen meines Aufenthaltsstatus", sagt Lovemore. Er will später auf jeden Fall zurück nach Simbabwe. Das Haus für die Familie ist fast fertig, es fehlt nur noch das Dach.

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