Suchtbehandlung: Ab jetzt zahlt Heroin die Kasse

Die Diamorphin-Abgabe wird Teil des Gesundheitssystems. In Hamburg wurde ein Vertrag mit den Krankenkassen unterzeichnet, in Hannover ist ein Antrag auf dem Weg.

Klinisch: Tablett mit Spritze und Abbinder in einer staatlichen Abgabestelle. Bild: dpa

In Hamburg hat die reguläre Heroinvergabe auf Rezept begonnen. Hannover soll folgen. Ein entsprechender Antrag sei auf dem Weg, sagt Konstanze Kalmus, ein Sprecherin der Stadt Hannover. Damit bricht sich ein Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik Bahn.

Dass die Abgabestellen für Diamorphin, die Schwerstabhängige mit künstlichem Heroin behandeln, zu einem regulären Angebot im Gesundheitssystem wurden, war kein Selbstläufer. Als Pilotprojekte heftig umstritten, stand ihr Fortbestehen trotz nachgewiesener Therapieerfolge auf der Kippe. Erst im vergangenen Jahr hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Finanzierung dieser Abgabestellen durch die Krankenkassen erlaubt. Lediglich Teile der Union stimmten dagegen.

Während Ärzte und Kassen in Hamburg bereits einen entsprechenden Vertrag geschlossen haben, läuft das Verfahren in Hannover noch. "Es wurde ein Antrag eingereicht, rückwirkend die Finanzierung zum 1. Oktober zu übernehmen", berichtet die Stadtsprecherin. Es sei selbstverständlich, dass die Modelle weiterlaufen. Sie seien ja eingerichtet worden, damit sie bei Erfolg normal über das Gesundheitssystem finanziert werden.

Das Gesetz erlaubt die Behandlung von Schwerstabhängigen mit Diamorphin grundsätzlich. Zwar ging es in der Diskussion zuallererst um die Erhaltung der sieben Pilotstandorte, doch die Eröffnung weiterer Ausgabestellen ist damit auch möglich. "So eine Einrichtung ist nicht so leicht aus dem Boden zu stampfen", sagt Ralf Bade vom Verband der Ersatzkassen - der in Hamburg Vertragspartner ist. Es gebe sehr strenge Auflagen. Die Behandlungsräume sollen abgelegen sein und das Diamorphin in speziellen Tresorräumen gelagert werden.

Neben den Sicherheitsvorkehrungen hat der Gesetzgeber strenge Auflagen zu den Öffnungszeiten und zur Personal-Ausstattung gemacht: Die Einrichtungen müssen mindestens zwölf Stunden am Tag geöffnet sein, drei Ärzte müssen in Vollzeit nur für diese Aufgabe angestellt sein. Kleine Abgabestellen sind damit unmöglich. Pläne für weitere Diamorphin-Behandlungsstationen in Norddeutschland sind nicht bekannt.

Wer in das Programm darf, ist klar geregelt: Die Betroffenen müssen seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sein, zwei erfolglose Therapien hinter sich haben und mindestens 23 Jahre alt sein. In Hamburg darf Diamorphin nur die Ambulanz der Asklepios Klinik Nord verabreichen. Hier werden die Betroffenen mehr als sechs Monate lang psychosozial betreut, damit sie in einen normalen Alltag zurückfinden. In Hannover gehört die Abgabestelle zur Medizinischen Hochschule.

Die Auflagen seien mit der gesetzlichen Verankerung noch strenger geworden als beim Modellversuch, sagt Kalmus. Hannover erfülle die neuen Vorgaben noch nicht. Allerdings gebe es eine Sondergenehmigung für die bestehenden Projekte. Sie dürfen unter den alten Auflagen bis Ende 2011 weitermachen. Ob die Projekte wie in Hannover dann nachrüsten müssen oder die neuen Auflagen wieder zurück gefahren werden ist offen.

Die Projekte sollen den Schwerstabhängigen trotz ihrer Sucht ein geregeltes Leben ermöglichen. Sie müssen sich nicht mehr ständig um die Beschaffung von Heroin kümmern. Sie brauchen nicht straffällig zu werden, um ihren Konsum zu finanzieren, und ihre Lebenserwartung bessert sich, weil das medizinische Heroin sauber ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.