Suchmaschine will mitbieten: Google plant ein eigenes Mobilfunknetz
Der Suchmaschinen-Konzern will nicht nur ein eigenes Handy-Betriebssystem. Er hat noch deutlich größere Pläne - er will für ein US-Mobilfunknetz bieten.
Nein, das lange erwartete "Google-Phone" gibt es immer noch nicht, doch die Mobilfunkstrategie des Internet-Giganten wird klarer: Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf informierte Kreise am Freitag meldet, plant Google, ab Januar 2008 um ein frei werdendes Mobilfunknetz in den USA mitzubieten. Laut Informationen der Zeitung ist der Konzern bereit, dafür bis zu 4,6 Milliarden Dollar zu investieren - notfalls auch ohne Partner aus der Handy-Branche.
Sollte Google es tatsächlich ernst meinen und das Netz ersteigern, könnte dies einen Paradigmenwechsel im Mobilfunkgeschäft bedeuten. Die Branche arbeitet auch in den USA noch sehr abgeschottet und unterteilt in einige wichtige Anbieter, die mehr oder weniger monopolistisch den Zugang zum Netz regeln. Wer hier mitspielen möchte, braucht im Gegensatz zum freien Internet eine teure, staatliche Lizenz. Sollte Google die Mobilfunkfrequenzen ersteigern, will der Konzern dies ändern: Es könnte ein freies, mobiles Internet entstehen, das offenen Zugang für alle bietet - zumindest ist das die Hoffnung von Experten und aus ersten Aussagen des Unternehmens abzuleiten.
Laut dem Bericht arbeitet Google bereits testweise mit einem kleinen Netz der nächsten Generation, das am Firmensitz im kalifornischen Mountain View aufgebaut wurde. Die dabei erlangten Erfahrungen sollen genutzt werden, sollte Google das umworbene Frequenzspektrum tatsächlich ersteigern und einen großen, US-weiten Betrieb aufnimmt. Mit Google im Geschäft könnten die Kosten für den mobilen Breitbandzugang noch weiter sinken - und die Verbreitung deutlich zunehmen. Aktuell hinken die USA besonders in ländlichen Regionen hinter Europa hinterher.
Googles Mobilstrategie setzt sich in den letzten Monaten wie ein Puzzlespiel zusammen - zuletzt hatte der Konzern mit "Android" eine eigene Betriebssystemplattform vorgestellt, die auf der freien Open-Source-Technologie Linux basiert. Allerdings konnten dafür nur einige größere Handyhersteller angeworben werden, Branchenriesen wie Nokia und Sony Ericsson blieben außen vor. Google selbst will zunächst kein eigenes Handy vertreiben, bietet nur die Plattform zu kostenlosen Nutzung. Auch die Anwendungen, die dann auf "Android" laufen, sollen zu großen Teilen von Drittentwicklern kommen. Ziel des Projektes ist es, dank offener Schnittstellen eine Mobilfunk-Software-Szene zu schaffen, wie man sie sonst nur aus dem Desktop-Rechner-Markt kennt.
Erste mobile Dienste betreibt Google bereits seit längerem - eine sprachgestützte Suche namens "411-GOOG" bietet in den USA kostenlosen Zugriff auf ein Geschäftsverzeichnis. Außerdem verkauft Google seit einiger Zeit erstmals Werbung für Web-Angebote, die speziell für Handys entworfen wurden. Daneben hat der Konzern Erfahrungen im Betrieb drahtloser Netze nach dem WLAN-Standard, betreibt ein eigenes öffentliches Netz in Mountain View und wollte eines in San Francisco betreiben.
Sollte Google tatsächlich für die Mobilfunkfrequenzen bieten, hat der Konzern noch bis zum 3. Dezember Zeit - der Deadline für Bietanträge bei der zuständigen US-Regulierungsbehörde FCC. Probleme könnten dem Internet-Konzern noch seine aktuell guten Beziehungen zu mehreren wichtigen Telekommunikationskonzernen bereiten, die auch auf dem US-Markt tätig sind - Google würde sich mit dem Gebot erstmals in direkte Konkurrenz mit ihnen begeben.
Ein Google-Sprecher sagte gegenüber dem "Wall Street Journal", die Firma wolle ein eventuelles Gebot noch nicht bestätigen, dies werde man zu gegebener Zeit tun. "In der Zwischenzeit bereiten wir aber alle notwendigen Dinge vor, um zu einem Bieter zu werden." Hauptziel sei immer, den US-Kunden mehr Wahlmöglichkeiten in einer "offenen und konkurrenzfähigen drahtlosen Welt" zu verschaffen.
Noch ist unklar, wie Google ein solches Mobilfunk-Engagement finanzieren will. Haupteinnahmequelle des Internet-Konzerns bleibt die Werbung - in der Suchmaschine selbst, auf eigenen Diensten wie Google Mail oder direkt im Web ("Adsense"). Entsprechende Ansätze ließen sich auch auf das Mobiltelefon übertragen, allerdings sind die Nutzer mobil seltener bereit, sich mit Reklame abzufinden.
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