Stuttgart putzt Bremen weg: In Volksfeststimmung
Der VfB Stuttgart demontiert überheblich scheinende Bremer - und bleibt seiner Linie treu, gegen Werder meist erfolgreich zu sein.
STUTTGART taz Statistisch betrachtet hat die Sache so enden müssen. 24 Tore hatte es in den vergangenen vier Begegnungen zwischen dem VfB Stuttgart und Werder Bremen gegeben, mindestens fünf in jedem Spiel. Premiere-Mann Marcel Reif hatte sich diese Statistik gut angeschaut und sich eine dicke Zigarre gegönnt, bevor er den ersten Spielzug aus dem nun Mercedes-Benz-Arena geheißenen Stuttgarter Stadion reportierte. In Erwartung eines neuerlichen Torfestivals. 4:1 (2:0) besiegte der VfB die schwachen Bremer.
Zur Klärung einer anderen Frage trugen die Zahlen wenig bei: Wie kann es sein, dass eine Mannschaft an einem Tag im Uefa-Cup gegen ein bulgarisches Team mit Drittliga-Niveau beinahe ausscheidet und zwei Tage später einen Titelkandidaten mit einer 4:1-Packung nach Hause schickt? "Wir sind fassungslos", sagte in der Pressekonferenz ein Reporter in Richtung des VfB-Trainers Armin Veh. Der lächelte verschmitzt. "Das", sagte er dann, "ist Psychologie."
Psychologie also. "Wir waren heute nicht Favorit, und das habe ich der Mannschaft gesagt", erläuterte Veh, der Fußballlehrer. Die Mannschaft begriff, "ging das Spiel von der ersten Minute an diszipliniert an und beherzt in jeden Zweikampf" (Veh). Es ging ja nicht nur darum, die Chance gegen ein scheinbar überlegenes Team zu nutzen. Die Beinaheblamage gegen Varna musste noch ausgebügelt werden. Und außerdem wissen die VfB-Kicker, dass ihre Fans zu Zeiten des Cannstatter Volksfests gern mit einem Erfolgserlebnis von der Tribüne hinüber ins Bierzelt wanken. Werder-Trainer Thomas Schaaf wollte das Spiel schnell abhaken, weil sein Team "nichts auf die Reihe gekriegt und grundlegende Dinge nicht erfüllt" habe. Dann ließ er sich aber doch auf die Psychologie-These seines Stuttgarter Kollegen ein. "Es ist anscheinend so, dass man als Spieler immer wieder Unterschiede macht", dozierte Schaaf über das verbreitete Phänomen, einen Gegner auf die leichte Schulter zu nehmen. Und schließlich gelangte er zur ebenso einfachen wie bestechenden Formel: "Der richtige Profi macht keine Unterschiede."
Alles keine richtigen Profis also, hüben wie drüben? Hüben - auf VfB-Seite also - musste man das am Samstag deutlich verneinen. Auf drei Positionen verändert, setzten die Stuttgarter von Anfang an ihr Konzept durch. Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira kümmerten sich abwechselnd um Bremens Spielmacher Diego und Mesut Özil, Druck nach vorne sollte über die Außenbahnen entstehen. Die (taktisch begründete) Hereinnahme des Rechtsverteidigers Träsch aus dem Drittligateam des VfB brachte Armin Veh zuerst Kopfschütteln und dann Bewunderung ein: Nach dem Stuttgarter Führungstreffer durch Sami Khedira (18.) wuchtete Träsch den Ball nach einer per Kopf geklärten Ecke volley aus 25 Metern zum 2:0 ins Netz (29.). Dann bereitete der 21-Jährige mit einem schönen Flankenlauf das 3:0 durch Hilbert vor (63.), und es wurde klar, dass der VfB-Coach in Träsch den Mann des Tages gebracht hatte. Das wunderschöne Freistoßtor von Diego (65.) und das 4:1 durch Martin Lanig (88.) waren nur Formsache.
Zurück blieben die Experten, die noch lange rätselten, in welchem Ausmaß nun die Faktoren Statistik, Psychologie oder Taktik Einfluss auf dieses beeindruckende Fußballspiel genommen haben mochten. Noch ehe eine Lösung gefunden war, kam um Glück Ludovic Magnin um die Ecke. Der Schweizer Nationalspieler im Dienst des VfB sagte fröhlich: "Jetzt gehen wir erst mal aufs Volksfest." Und damit war die wichtigste Frage beantwortet.
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